Rosenmörder (German Edition)
hatte er sich auch hinter eine Tür geduckt und einen
Menschen getötet. Nur war es damals kein Polizist gewesen, sondern ein
Tschetschene. Und keine Pistole, sondern ein Rasiermesser. Es gibt noch einen
weiteren Unterschied: Er hat die Fähigkeit, Angst zu verspüren, gegenüber
damals vollkommen verloren.
Der Tod hängt schwer in der Luft.
Ein fürchterlicher Schlag saust auf den Arm hinter der Tür nieder.
Ein Schlag, wie Kosmos ihn in der Armee oft genug geführt hat. Die P7 wäre polternd
zu Boden gekracht, wäre ihr Fall nicht von Kosmos’ ausgestrecktem Fuß gebremst
worden. Die linke Hand des Polizisten zuckt zum rechten Handgelenk, als Kosmos
mit beidhändig ausgestreckter Waffe vor ihm steht.
Er sieht den Mann an. Mitte dreißig, gedrungen, schütteres Haar. Er
schneidet eine wilde Grimasse, was Kosmos als Versuch eines Lächelns deutet.
Nein, stößt er mit brüchiger Stimme aus. Bitte nein!
Kosmos blickt den Flur entlang in Richtung Wohnungstür. Will wissen,
ob da noch mehr Eindringlinge sind. Doch es ist niemand da, die Tür ist
geschlossen.
Was wollen Sie von Eva M.?, fragt der Mann.
Eva M. Soso. Kosmos’ Blick bleibt auf dem runden, unrasierten
Gesicht vor ihm hängen. Wie oft hat er diese Situation schon erlebt. Und
erledigt.
Er schießt dem Polizisten in die Stirn. Mit vorgehaltener Waffe
bleibt er stehen und sieht zu. Beobachtet, wie die Kapillargefäße in den Augen
platzen. Wie mit einem Schlag das Licht aus den Augen schwindet. Der Körper
knickt zur rechten Seite ab. Mit einem gedämpften Laut schlägt der Kopf auf dem
Fußboden auf. Er bleibt mit geöffneten, toten Augen in einer langsam sich
vergrößernden Blutlache liegen.
Kosmos wischt sich mit dem Unterarm über die Stirn. Er schraubt den
Schalldämpfer ab und verstaut Beretta und Dämpfer. Der Mann hat ungefähr seine
eigene Statur. Eine Sekunde lang überlegt er, ob er nicht in die Uniform
schlüpfen soll. Aber wenn er anderen Polizisten begegnete, wäre er aufgeworfen.
In einer Stadt wie dieser kennt jeder jeden. Außerdem: Wie sähe es aus, wenn
ein Polizist in Uniform in einen verbeulten himmelblauen Lada Kombi steigt?
Er hat keine Lust mehr, zusammen mit diesem Herrn, der
wahrscheinlich ihr Freund war, auf Eva M. zu warten. Er geht neben der
Leiche auf die Knie und zieht dem Toten das Mobiltelefon aus der Handytasche am
Gürtel. Keine Tastensperre. Nach einer Minute des Herumirrens in der
Adressdatei zappt er sich durch die Wahlwiederholung. Dort findet er, was er
sucht. Die Dienststelle des Toten. Ein Gespräch findet nicht statt. Er hört nur:
Ja, Robert?, und legt wieder auf. Er wirft noch einen flüchtigen Blick auf
Robert, schleudert das Handy in den Toilettenabfluss und spült nach.
Dann öffnet er die Tür, lauscht, schließt die Tür und macht sich auf
den Weg zu seinem Lada Kombi. Noch im Treppenhaus schaltet er sein eigenes
Handy ein und checkt die eingegangenen Anrufe in Abwesenheit. Es ist nur einer.
Der Deckname, den er für Nadeschda gewählt hat, erscheint auf dem Display. Was
will Nadeschda? Er wird sie vom Auto aus zurückrufen.
Kosmos verlässt die Straße, sieht auf die Uhr und geht
über den Ludwigsplatz in Richtung Loretowiese. Ausdruckslose Blicke, wohin er
sieht. Die Menschen schauen zu Boden oder sehen weg. Rosenheim ist eine
Mittelstadt mit der kühlen Distanz der Großstadt. Gut. Soweit er es beobachten
kann, gibt es nur ein Polizistenpaar in Zivil, das offensichtlich nach ihm
Ausschau hält. Man sucht ihn also noch. Natürlich sucht man ihn. Keine
Berührungsangst zu zeigen ist das sicherste Mittel gegen Entdeckung. Die
Atmosphäre der Bedrohung jedenfalls, die er befürchtet hat, liegt nicht in der
Luft.
Der Lada steht eingekeilt zwischen einem roten BMW und einem silberfarbenen Honda-Geländewagen. In
dem hockt hinten ein Hund, der laut mault, als sich der Mensch nähert. Kosmos
blickt um sich. Drüben, Richtung Polizeipräsidium, parken Mannschaftswagen der
Polizei, die vorher noch nicht da gestanden hatten. Ein Hubschrauber überfliegt
die Loretowiese in schnellem Schritttempo. Er duckt sich, schließt die
Fahrertür auf und rutscht gemächlich auf den Sitz. Knarzend fällt die Tür
langsam zu. Er atmet tief aus. Angst verspürt er nicht, aber seine Eingeweide
arbeiten heftig.
Er will gerade den Motor anlassen, als er nach hinten gerissen wird
und sehr schnell nahe am Ersticken ist. Seine Zunge quillt auf, bis sie den
Rachen blockiert. Das Blut pulsiert in seinem Kopf. Trotzdem
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