Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman
Zufall gewesen sein.
Adelina meinte nur trocken, das sei für sie von Anfang an ein völlig irriger Verdacht gewesen. Ein traditionsreiches Unternehmen mit einem tadellosen Ruf werde nicht so blöd sein, alles aufs Spiel zu setzen, indem es sich auf schwerstkriminelle Taten einlässt. Zudem fehle jegliches Motiv. Wer bringt schon die Partnerin einer erfolgreichen Kooperation um?
Ich konnte ihr nur zustimmen, gestützt auf die Ermittlungen der Polizei. Kurz bevor ich mich an diesem Nachmittag von Karl verabschiedet hatte, war diesem von seinem Assistenten per Telefon mitgeteilt worden, zusätzliche Erkundigungen bei Mitarbeitenden und Kunden von Spross hätten ergeben, dass die Partnerschaft zwischen Spross und Frau Rosengarten äusserst erfolgreich angelaufen war. Alles verlief bisher in Minne, von grösseren Konflikten wusste niemand zu berichten, auch die Chemie zwischen den beiden Damen stimmte offensichtlich. Karl gab mir diese Erkenntnis zum Abschied mit auf den Weg, verbunden mit der Empfehlung, den Mörder woanders zu suchen.
Das bedeute, beendete ich meinen Bericht, dass der Mörder, entgegen der anderslautenden Meinung des Volksmunds, diesmal nicht der Gärtner sein könne. Adelina blickte mich fragend an. Den Spruch «Der Mörder ist immer der Gärtner» kannte sie nicht. Kein Wunder. Im Jahr, in dem diese Zeile geprägt wurde, war sie noch lange nicht geboren, das musste Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts gewesen sein.
Bevor ich auch nur die Chance hatte, mein Gedächtnis nach weiteren Informationen zu durchforsten, hatte Adelina zu ihrem, auch draussen immer bereiten, iPad gegriffen und den Spruch gegoogelt. Jetzt, als sie aus den Suchergebnissen des unerschöpflichen Wikipedia-Lexikons vorlas, fielen mir die Fakten auch wieder ein. Ein bisschen spät zwar, aber Hauptsache, Adelinas Wissensdurst wurde gestillt.
«‹Der Mörder ist immer der Gärtner› ist der Titel eines Liedes von Reinhard Mey. Es erschien 1971 auf dem Album ‹Ich bin aus jenem Holze›. ‹Der Mörder ist immer der Gärtner› ist eine Parodie auf populäre Stereotype in Kriminalromanen und -filmen, insbesondere auf die in den 1960er-Jahren populären Edgar-Wallace- und Agatha-Christie-Verfilmungen. Der Titel findet sich im Refrain des Liedes wieder:
Der Mörder war wieder der Gärtner,
und der plant schon den nächsten Coup.
Der Mörder ist immer der Gärtner,
und der schlägt erbarmungslos zu!
Aufgrund seiner Popularität ging der deutsche Titel des Liedes in den 1970er-Jahren als geflügeltes Wort in die deutsche Sprache ein.»
Nein, das geflügelte Wort hob diesmal nicht vom Boden der Tatsachen ab, darüber waren wir uns einig. Wieder versanken wir in Schweigen und bestaunten lieber den immer plastischer hervortretenden Sternenhimmel, als eine laue Dämmerungsböe einen intensiven Duftschwall von den Rosenstöcken zu uns herüberblies. Dass ich, davon angeregt, an Rosenrot dachte, war unvermeidlich. Und half, eine Erinnerung heraufzubeschwören, die ich völlig vergessen hatte und die deshalb auch Adelina bisher unbekannt war.
Es ging um den gleichnamigen Song, den Rosenrot als letzten auf ihrem iPod gehört hatte. Einmal hatte ich ihn auf der Fahrt vom Leichenfundort zu Adelina gehört gehabt, dann war er im Dunkeln des Vergessens verschwunden gewesen, bis eben. Jetzt wollte ich mir diesen Song noch einmal anhören und bat Adelina, ihn zu diesem Zwecke runterzuladen.
Das sei gar nicht nötig, erwiderte sie, der sei, wie alles von Rammstein, in der Musiksammlung ihres iPads gespeichert. Schon setzte sie zu einer ausführlichen Erklärung ihres Verhältnisses zu dieser Musik an, als ich sie im letzten Moment stoppen konnte. Zur Begründung erklärte ich ihr, ich hätte keinerlei Verhältnis zu dieser Musik, «Rosenrot» sei der erste Song von Rammstein, den ich bewusst gehört hätte, und deshalb wollte ich ihn mir jetzt zunächst erst einmal unbelastet von allen Hintergrundinformationen ein paarmal anhören. In Musik stecken manchmal Botschaften, vielleicht ja auch im letzten Song, den sich Rosenrot angehört hat.
Auf Adelina schien dies einleuchtend zu wirken, denn schon erschallte ohne weitere Kommentare in der höchsten Lautstärke, die dem kleinen Kästchen möglich ist, die Ballade von Rosenrot.
An der Musik konnte es nicht liegen, dass mich dieses Lied bei jedem zusätzlichen Anhören mehr faszinierte. Da gibt es zwar einen satten, rhythmischen Sound, der zum Wippen animieren kann. Gitarren
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