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Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman

Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman

Titel: Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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gestalten, dass er seinem natürlichen Vorbild so nahe wie möglich kam. Wozu eben vor allem gehörte, dass der Bachlauf auch tiefere Stellen enthalten sollte.
    Ich konnte ihre Begeisterung teilen. Auch ich hatte eine besondere Beziehung zu fliessenden Gewässern, zu Bächen und kleinen Flüssen, konnte ihnen stundenlang zuschauen und lauschen. Einen Erklärungsansatz für diese ausgeprägte Vorliebe hatte ich in einem astrologischen Modell gefunden, wonach mein Sternzeichen, der Krebs, nicht einfach dem Element Wasser im Allgemeinen zugeordnet wird, sondern dem fliessenden Wasser im Besonderen. Wie oft in solchen Fällen hatte ich befunden, wenn es nicht wahr sei, so sei es doch gut erfunden, und die Hauptsache sei, dass es passe.
    Davon hatte ich Rosenrot an jenem Sonntag erzählt, worauf sie mir mit einem bezaubernden Lachen erklärte, auch sie sei Krebs und hätte von dieser Erklärung schon gehört, mit der sie ähnlich umgehe wie ich. In jenem Moment empfand ich ein Gefühl tiefer Seelenverwandtschaft mit ihr, ein Potenzial von Übereinstimmung, die einen grossen Raum von Wahrnehmungen und Empfindungen, von Erfahrungen und Überzeugungen umfasst, über den man sich nicht auseinandersetzen muss, weil man ihn ganz selbstverständlich teilt.
    Von dieser damaligen Gefühlsaufwallung erzählte ich Adelina nichts, doch sie merkte sie mir an und sagte sie mir auf den Kopf zu. Hörte ich da eine leise Anwandlung von Eifersucht? Ich konnte sie beruhigen, indem ich schilderte, dass mich diese Form von trauter Zweisamkeit nie wirklich gereizt hatte, obwohl sie mir ein paarmal angeboten worden war. Sicher, die Aussicht auf eine kuschelig-gemütliche Zweisamkeit ohne grosses Konfliktpotenzial hatte etwas Verlockendes, doch die damit verbundene fehlende Spannung hatte mich immer abgeschreckt. Spannung braucht nun mal Unterschiede, und von denen gab es zwischen Adelina und mir genug.
    Adelina war beruhigt, ich konnte meinen Bericht beenden. Angeregt durch das Gespräch über niedrige und tiefe Bäche waren wir damals auf ein anderes geflügeltes Wort gestossen: Stille Wasser sind tief. Dabei hatte ich zu meiner Schande entdeckt, dass ich zwar die übertragene Bedeutung dieses Spruchs kannte, mir jedoch nie Gedanken über seine Herkunft gemacht hatte. Wenn eher stille, introvertierte und unscheinbare Menschen plötzlich etwas Überraschendes von sich geben oder tun, spricht man von stillen Wassern, unter deren Oberfläche sich so manches verbirgt. Doch woher kam dieses Bild? Ob sie, Frau Rosengarten, darüber etwas wisse?
    Natürlich wusste sie: Die Oberfläche von fliessendem Wasser kräuselt sich nur dann, wenn Steine oder andere Hindernisse die Strömung behindern. Im Gegensatz zu flachen Gewässern kann man Turbulenzen in den Tiefen jedoch kaum noch an der Oberfläche wahrnehmen. Die Wasseroberfläche bleibt schön ruhig, auch wenn sich in der Tiefe etwas tut. So wies dieser Spruch ursprünglich darauf hin, dass im tiefen Wasser Turbulenzen entstehen können, auch wenn an der Oberfläche nichts darauf hindeutet.
    Genau auf diesen Zusammenhang verwies die Liedzeile «Tiefe Wasser sind nicht still». Wie das zustande gekommen war und vor allem, was es für Rosenrot bedeutet hatte, wussten wir allerdings nicht. Und versanken in ratloses Schweigen. Dann fiel mir wieder ein, dass Adelina mir vorhin mehr über die Gruppe Rammstein erzählen wollte. Ich bat sie darum und fügte hinzu, dass ich deren Musik tatsächlich nicht kenne und nur wisse, dass es sich um eine kommerziell erfolgreiche deutsche Band im Bereich Hardrock handle. Und dass sie immer wieder umstritten gewesen sei, weil ihr Nazi-Nähe vorgeworfen wurde.
    Das sei, entgegnete Adelina, zwar eine sehr knappe Zusammenfassung, doch eigentlich genüge diese schon – es sei denn, man wäre Fan. Und das, gestand sie, sei sie in ihrer Jugend tatsächlich gewesen. Schon auf Rammsteins erstes Album namens «Herzeleid» sei sie total abgefahren. Sie war, wie ich durch Nachfragen herausfand, damals süsse siebzehn Jahre alt gewesen und in einer rebellischen Phase, wie sie für dieses Alter normal ist. Neue Deutsche Härte, wie die Band etikettiert wurde, klang in ihren Ohren wunderbar verrucht.
    Auch das Anrüchige, das mit Rammstein von Anfang an verbunden war, reizte einen rebellierenden Teenager. Allein schon dieser Name! Er bezog sich eindeutig auf den Ort einer Tragödie, an dem bei einer Flugshow zwei Flieger ineinandergekracht und in das Publikum gestürzt waren und

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