Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman
einfach weg war. Und zum anderen, weil in der Züchtung des Platahorns tatsächlich ein enormes finanzielles Potenzial steckte. Diesen Baum wird man dem Züchter aus den Händen reissen, und weil niemand anderes ihn anbieten kann, sind die Preise nach oben ziemlich flexibel.
Bei diesem Teil ihrer Erzählung wirkte Natalie Spross besonders traurig. Bei der Schilderung der rosigen Zukunftsaussichten des Platahorns spürte man ihren Frust über die entgangenen Perspektiven. Das fiel Adelina auf. Sie sprach Frau Spross darauf an und fragte, ob sie daran glaube, die geklauten Sprosse nach der erfolgreichen Erpressung zurückzubekommen.
Die Angesprochene verneinte. Sie wirkte dabei beinahe wie eine Mutter, die ein verlorenes Kind betrauert. Leider, meinte sie, sei die Sicherheits-Kultur bei Spross nicht besonders gut entwickelt. Sie sah dabei Adelina an, die ihr mittlerweile gebeichtet hatte, wie wir zu den Erpresser-Mails gekommen waren. Niemand habe damit gerechnet, auch sie nicht, je zum Ziel solcher übler Angriffe zu werden.
In diesem Punkt hatten die Erpresser, wie wir zur allgemeinen Betrübnis feststellten, volle Wirkung erzielt. Ebenso beim nächsten. Unter dem Gerücht, Heinz Spross, ihr Vater, sei in einen Wettskandal verwickelt, hatte nicht nur dessen Ruf gelitten, sondern auch jener der Firma. Immerhin war er Verwaltungsratspräsident der Spross-Gruppe – und er sass gleichzeitig im Verwaltungsrat von GC . Vom Alten wusste man, dass ein Spross alles für seinen geliebten Fussballclub tut, buchstäblich alles. Warum also nicht mal in die Trickkiste greifen, um dem Verein dringend benötigte Zusatzeinnahmen zu verschaffen?
So ein Gerücht, klagte Natalie Spross, habe leider immer eine Wirkung, vor allem wenn es eine halbwegs plausible Grundlage enthalte. Die Wirkung war beim Geschäftsgang noch nicht sichtbar geworden, doch die scheelen Blicke, die sie da und dort erntete, sagten ihr, dass sich das bald ändern könnte. Das Gerücht liess sich mit noch so glaubhaften Dementis nicht mehr aus der Welt schaffen. Es sei denn, fügte sie hinzu, wir könnten glaubhaft nachweisen, dass es sich bei seiner Verbreitung um die ruchlose Tat von Erpressern handelte. Doch davon waren wir noch weit entfernt.
Effektiv rufschädigend war die unappetitliche Geschichte mit den Durchfallerregern am Spross-Fest gewesen. Die Geschichte stank buchstäblich zum Himmel. Die bei den GC -Gerüchten noch zurückhaltenden lokalen und regionalen Medien stürzten sich darauf und wurden nicht müde, Festteilnehmer vor Notizblöcke, Mikrofone und Kameras zu schleifen und ihnen entrüstete Statements zu entlocken. Natürlich, lautete der Tenor, könne so etwas theoretisch jedem passieren, aber dass ausgerechnet eine so seriöse Firma wie Spross in diesen Lebensmittelskandal verwickelt sei, wäre doch erstaunlich, um nicht zu sagen empörend.
Natalie Spross konnte in ihren Medienverlautbarungen noch so sehr darauf hinweisen, die beauftragte Catering-Firma genösse einen hervorragenden Ruf und hätte nie Anlass zu den leisesten Klagen oder Zweifeln gegeben, die üblen Gerüchte und Gerüche waren freigesetzt und liessen sich nicht mehr einfangen.
Spätestens jetzt hatten Natalie Spross und ihre rechte Hand richtig Angst. Eine Aktion wie die Vergiftung aller Partyhäppchen erfolgreich durchzuziehen, erforderte Macht und Einfluss. Man hatte es mit einem starken Gegner zu tun, der seine Nadelstiche gezielt, geschickt und mit wachsender Wirkung einsetzte. Doch jemand wie der Spross-Clan lässt sich nicht erpressen. Das stand für sie unverrückbar fest.
Dieser Grundsatz geriet ernsthaft ins Wanken, als die Bilder von der gestohlenen Leiche in der Spross-Mulde auftauchten. Bisher war bei den Aktionen der Erpresser niemandem ernsthaft etwas geschehen, und der Leiche war ihre Ortsverschiebung vermutlich egal. Nicht aber den Angehörigen des Verstorbenen. Und überhaupt, fand Natalie Spross, war hier eine Grenze überschritten worden. So was tat man einfach nicht. Auch nicht für das beste Geschäft.
Die Täter jedoch kümmerten sich offensichtlich nicht darum, was man tut und was nicht. Und sie hatten damit Erfolg, in ihrem perversen Sinne. Die Spekulationen um einen Fluch, der angeblich auf Spross liegt, wallten hoch. Die besorgten Anrufe von Kunden und anderen Geschäftspartnern häuften sich. Am schlimmsten war, dass auch die treue Belegschaft sich zu fragen begann, ob sie noch am richtigen Ort arbeite.
Und dann das. Natalie Spross litt
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