Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman
nicht, weshalb sie ihn ebenso gut weglassen könne. Wir waren erleichtert und bedankten uns bei ihr, ehe wir uns verabschiedeten.
Was sie jetzt zu tun gedenke, fragte Adelina noch. Was wir ihr raten würden, fragte Natalie Spross zurück. Adelina und ich hatten diese Frage auf unserer Zugfahrt nach Zürich schon diskutiert und waren zum einhelligen Schluss gekommen, jetzt gebe es nur eines: der Erpressung nachgeben. Wenn auch nur zum Schein. So weit reichte unser rudimentäres juristisches Wissen: Ein Vertrag, der unter erpresserischen Umständen zustande gekommen war, konnte nicht gültig bleiben.
Wenn man die Erpressung beweisen konnte. Dafür gab es nur den einen Weg, auf die Forderungen der Erpresser zum Schein einzugehen. Wie dieser Weg dann weiterführen würde, wussten wir noch nicht. Fest stand nur, dass wir anderswie nie dahinterkommen würden, wer hinter dieser Erpressung stand. Unsere Recherchen hatten ebenso wie diejenigen von Spross selbst ergeben, dass eine Firma namens Aceraceae AG nirgendwo existierte. Und eine Amanda Raggenbass gab es zwar, aber die kam für eine solche Erpressung wirklich nicht in Frage. Es handelte sich um eine schwerreiche, sehr zurückgezogene Dame, von der man nicht viel mehr wusste, als dass sie grosse Summen für die Förderung von kulturellen und philanthropischen Werken ausgab. Indem sie sich ausgerechnet den Namen einer hochangesehenen Wohltäterin von untadeligem Ruf ausliehen, hatten sich die Erpresser einen wirklich üblen Scherz geleistet.
Nur wenn ein realer Käufer auftauchte, hatten wir eine Chance, zu den Hintermännern zu kommen. Natalie Spross stimmte uns zu. Sie wollte aber noch die Empfehlung der Polizei abwarten, ehe sie das erwartete Signal an die Erpresser abschickte. Beim Hinausbegleiten fragte sie, ob wir wüssten, was Aceraceae bedeute. Ich wusste es nicht, Adelina mit ihrer heimlichen Vorliebe für Gärten jedoch schon. Es handelt sich um den Gattungsnamen für alle Ahorne. So wie Platanaceae die Bezeichnung für die Familie der Platanengewächse ist. Platanus heisst die Baufirma der Spross-Gruppe in Anspielung auf den Wappenbaum von Spross, die Platane. Enthielt der Verweis auf das Ahornblatt, mit dem das Logo-Blatt von Spross oft verwechselt wird und das im fiktiven Firmennamen der Erpresser auftaucht, die Botschaft, man wolle sich im Immobiliengeschäft zum ernsthaften Konkurrenten von Spross aufschwingen? Und steckte hinter der Erpressung wirklich eine Frau, oder war das nur ein Ablenkungsmanöver? Noch immer hatten wir mehr Fragen als Antworten.
Wir hatten Frau Spross versprochen, noch eine Weile in der Nähe zu bleiben, für den Fall, dass sie uns noch brauche. Adelina schlug vor, wir könnten uns das GartenForum von Spross ansehen. Damit blieben wir auch geistig in der Nähe der beklagenswerten Frau Spross. Zudem könne ein schöner Garten aufgewühlte Gemüter beruhigen und sorgenvolle Gedanken trösten.
Von beidem hatten wir genug, wie wir auf der Fahrt per Tram und Bus hinauf zu einem anderen Ende von Zürich, nach Binz, feststellen mussten. Tatsächlich war die Bedrohung ja keineswegs ausgestanden. Bisher hatten die Erpresser im Wochenabstand eine Aktion gestartet. Immer am Dienstag. Heute war schon Freitag. Und die Drohung, den Kindern etwas anzutun, stand im Raum. Die Rede von deren sicherem Aufenthaltsort in Gottes Ohr, doch was hiess bei diesem Gegner, der schon mehrfach seine Macht unter Beweis gestellt hatte, schon sicher?
Wir konnten nur hoffen, die Erpresser würden ihre Aktionen unterbrechen, wenn sie das verlangte Signal rechtzeitig bekämen. Falls dafür überhaupt noch Zeit war. Der Anruf von Natalie Spross, der kurz vor dem Erreichen unseres Ziels eintraf, vermochte uns in dieser Hinsicht zu beruhigen. Die Polizei hatte ihr zum gleichen Vorgehen geraten wie wir. Und ihr Netzwerk hatte funktioniert. Der «Tages-Anzeiger» würde sie am Samstag interviewen und das Gespräch am Montag prominent platzieren. Dass sie in diesem Interview ihre grundsätzliche Verkaufsbereitschaft signalisieren konnte, war geregelt.
Es gab also keinen Grund mehr zur unmittelbaren Sorge. Allerdings auch keine unmittelbare Möglichkeit, den Hintermännern der Erpressung, und damit dem Mörder von Rosenrot, auf die Schliche zu kommen. Zudem hatte jetzt eine uns unbekannte Polizei das Heft in die Hand genommen, was unsere Spielräume für eigene Ermittlungen drastisch einschränkte. Ein wenig fühlten wir uns auf unserer Reise nach Zürich wie auf der
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