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Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman

Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman

Titel: Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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war nicht der stärkste Mann.
    Meine Lage war fatal. Ich wusste, wenn Blicke töten könnten, wäre ich schon nicht mehr am Leben. Doch das hatte sie gar nicht nötig, sie, die mit jeder Faser ihres Körpers ausstrahlte, dass sie die Waffe, die sie in der Hand hielt, sehr wohl zu gebrauchen wusste. Und sie bei Bedarf auch ohne Skrupel nutzen würde, um zu töten. Falls sie das nicht schon getan hatte. Oder jedenfalls angeordnet.
    Ich war mir jetzt ganz sicher, die geborene Amanda Rosengarten, die Schwester von Rosenrot, vor mir zu haben. Unsere Theorie hatte sich als richtig erwiesen. Nur nützte mir das jetzt wenig. Triumphgefühle wegen unserer geistigen Klarheit konnte ich keine empfinden. Dafür war die Lage zu ernst.
    Sie wurde noch ernster, als Amanda Raggenbass, alias Amanda Rosengarten, alias Schneeweisschen, höhnisch fragte, ob ich wirklich geglaubt hätte, dass sie auf meine Lügengeschichten hereinfalle. Ein einziger Blick auf meine Hände habe ihr genügt, um festzustellen, dass ich nie und nimmer ein Gärtner sein könne. Ich blickte kurz zu meinen schlaff herabhängenden Händen hinunter und musste ihr recht geben. Diese schmalen, langfingrigen und halbwegs gepflegten Hände zeugten in der Tat nicht vom täglichen Wühlen in Erde und Dreck.
    Dumm gelaufen. Jetzt war es zu spät, meine eigene Unaufmerksamkeit zu schelten. Und vermutlich überhaupt für alles zu spät. Jetzt erklärte meine Gegnerin, sie wisse Bescheid darüber, dass wir ihr hinterherspionierten. Weshalb ihr gar nichts anderes übrig bliebe, als diese ihr zu nahe gekommenen lästigen Zeugen zu beseitigen. Ein für alle Mal. Bei mir könne sie glaubwürdig behaupten, mich bei einem Einbruchsversuch überrascht und in Notwehr gehandelt zu haben. Und für meine Genossin, wie sie sich ausdrückte, werde sie sich auch noch etwas einfallen lassen. Jetzt sei erst mal ich dran. Schon hörte ich ein Geräusch, das ich bisher nur aus Fernsehkrimis kannte: das Entriegeln einer Pistole.
    An sich hätte jetzt der berühmte Kurzfilm meines Lebens vor meinem inneren Auge ablaufen müssen. Tat er aber nicht. Stattdessen fiel mir die Absurdität der Tatsache auf, dass ausgerechnet ich, der mit Waffen nie etwas am Hut gehabt hatte, jetzt durch ein ebensolches Ding ins Jenseits befördert werden würde. Und dann gab es doch noch einen kleinen Film. Einen Erinnerungsflash an die einzige Situation, in der ich jemals etwas mit einer Pistole zu tun gehabt hatte und die fast so absurd war wie diese.
    Bei meiner Musterung wurde ich als nicht voll armeetauglich eingestuft und zu einer Hilfstruppe eingeteilt, welche die im Ernstfall über die Grenzen strömenden Flüchtlinge hätte empfangen und kasernieren sollen. Jede Untereinheit dieser Hilfstruppe bestand aus etwa einem Dutzend Männern, darunter zwei Offiziere und mehrere Unteroffiziere. Von denen übte einer die nützliche Rolle des Dolmetschers aus, während ein anderer als Wertschriftenfachmann bezeichnet wurde. Dieser hätte bei den Flüchtlingen die mitgebrachten Vermögenswerte vorläufig beschlagnahmen sollen und musste deshalb Bescheid wissen, was er in seine Inventurlisten aufnahm. Ja, so ist die Schweiz, selbst bei der Konfiszierung der Vermögenswerte von Flüchtlingen muss alles seine Ordnung haben, und beim Geld hört der Spass ohnehin auf.
    Nur drei oder vier Angehörige dieser Trüppchen, darunter auch ich, waren normale Hilfssoldaten, die im Ernstfall die normale Drecksarbeit hätten übernehmen müssen. Da dieser Ernstfall in der Geschichte der Schweizer Armee jedoch äusserst selten aufgetreten ist, musste man sich mit entsprechenden Simulationsübungen begnügen. Bei solchen Bonsai-Manövern spielte jeweils ein Trupp die Flüchtlinge und der andere die Betreuer. In der Szene, an die ich mich jetzt so lebhaft erinnerte, war ich ein Simulations-Flüchtling.
    Bevor wir das improvisierte Lager betreten konnten, nahm mich der Übungsleiter, ein Offizier, beiseite und befahl mir, seine Dienstpistole hineinzuschmuggeln. Wir Hilfstruppen waren nicht bewaffnet, und auch nach deren baldigem Ableben habe ich in meinem Leben keinen einzigen Schuss aus einem Gewehr oder einer Pistole abgefeuert. Die mir damals anvertraute Dienstpistole war und blieb die einzige Waffe, zu der ich je eine, wenn auch kurze, Beziehung hatte.
    Und zwar eine ziemlich intime. Es fiel mir nämlich nichts Besseres ein, als das Ding in meiner Unterhose zu verstecken, eine Idee, auf die ich damals, glaube ich mich zu erinnern,

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