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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Arsenault
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hätte die trauernde Nachbarschaft ganz gut porträtieren können. Ich hätte sie gefragt, was sie früher über das Mädchen gedacht haben, über das Weglaufen, das sie hätten ernster nehmen müssen. Mit mir würden die Leute reden.«
    »Ich bin mir nicht sicher, wie viele von ihnen wirklich geglaubt haben, dass sie weggelaufen war«, meinte ich. »Wie geht es Schieli?«
    »Toby geht’s ganz gut. Ich rede nicht viel mit ihm. Hast du gewusst, dass er jetzt die Werkstatt leitet?«
    »Was? Nein, woher auch?«
    »Ich weiß ja nicht, ob ihr zwei noch Kontakt habt.«
    »Wieso sollten wir?«
    »Ihr zwei wart doch mal befreundet, oder nicht?« Charlotte sah mich unsicher an und streifte ihre Zigarette am Aschenbecher ab. »Ihr seid doch miteinander gegangen.«
    »Ähm. Eigentlich waren wir nur zusammen beim Abschlussball. Wir waren nie richtig, nun ja, zusammen.«
    »Aha. Aber er fragt manchmal nach dir. Nicht so oft wie Mrs. Shepherd, aber ein oder zwei Mal, als ich meinen Wagen zu ihm brachte, hat er sich nach dir erkundigt.«
    »Dann ist es jetzt seine Werkstatt?«
    »Hast du nicht mitgekriegt, dass sein Dad gestorben ist?«
    »Was? Nein. Oh mein Gott!«
    »Ich dachte, das wüsstest du. Es war vor sechs, sieben Monaten.«
    »Wie ist das passiert?«
    »Krebs. Im Darm, glaube ich. Sie haben ihn viel zu spät entdeckt. Und dann ging es ganz schnell.«
    »Wie schrecklich. Ist Toby verheiratet? Hat er Kinder?«
    »Nee. Er wohnt immer noch mit seinem Bruder in dem alten Haus.«
    »Und wieso hat Joe die Werkstatt nicht übernommen? Ich dachte immer, die geht an den älteren Bruder.«
    »Machst du Witze? Das ist wohl eher nicht sein Ding.«
    »Stimmt, für einen Automechaniker war er immer ein bisschen zu künstlerisch veranlagt. Macht er noch diese Metallskulpturen?«
    Charlotte lachte leise. »Nein. Du meinst diese Zauberer ausDraht, die er für uns gebastelt hat? Damit hat er schon aufgehört, als wir noch Kinder waren, Nora.«
    Ihr Lachen ging in einen Hustenanfall über. Ich wandte mich schnell ab, um mein Entsetzen zu verbergen. Sie hatte einen scheußlichen Raucherhusten, der genauso klang wie der ihrer Mutter.
    Eigentlich wollte ich noch etwas über Toby und Joe wissen, doch dann sagte sie zuerst etwas.
    »Übrigens ...«, begann sie zögerlich, »es könnte die Polizei interessieren, dass du hier bist. Vielleicht wollen sie mit dir reden, weil du ja die Letzte warst, die sie gesehen hat, und so.«
    »Ja, daran habe ich auch schon gedacht.«
    »Und? Willst du mit ihnen sprechen?« Charlotte sah mich prüfend an, allerdings waren ihre Augen vom Wein und den Zigaretten leicht glasig. »Wenn sie fragen?«
    »Klar. Aber ich kann ihnen nichts Neues erzählen. An dem Tag hat sie mich von hier nach Hause gebracht, wie Hunderte Male vorher auch.«
    »Und dann ist sie weiter zu sich nach Hause gegangen?«
    »Ja. Dann ist sie zu sich nach Hause weitergegangen«, wiederholte ich, nachdem ich an meinem Wein genippt hatte.
    Charlotte nahm einen letzten Zug von ihrer Zigarette und blies den Qualm zur Seite. Wir beobachteten die Schwade zwischen uns, bis sie sich über unseren Köpfen auflöste.
    »Tja, ich muss noch korrigieren«, sagte Charlotte, während sie den Stummel im Aschenbecher ausdrückte. »Leicht angesäuselt ist das erträglicher. Macht es dir etwas aus?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    Charlotte nahm ihre Umhängetasche auf den Schoß und zog drei Stapel Blätter hervor, von denen jeder mit einer andersfarbigen Büroklammer zusammengehalten wurde.
    »Habe ich dir erzählt, wie ich mal ein Glas Wein über eine Arbeit gekippt habe?«
    »Ähm ... ich glaube nicht.«
    »Ich habe die fleckigen Seiten kopiert und das Original weggeschmissen. Die Tinte war total verschmiert, weil ich versucht hatte, die Blätter abzutupfen, aber wenigstens konnte bei der Kopie keiner mehr riechen, dass es Wein gewesen war. Und rate mal, was der Junge gesagt hat, als ich ihm die korrigierte Kopie gab?«
    »Was denn?«
    »Na, der kriegte so einen komischen Gesichtsausdruck, und als ich gerade anfangen wollte, mich lang und breit zu entschuldigen – und behaupten wollte, dass es Kaffee gewesen sei –, guckte er mich plötzlich ganz entgeistert an und fragte: ›Oh mein Gott, hab ich das etwa so abgegeben?‹ Glück gehabt, würde ich sagen. Ich möchte nur wissen, was für ein Dope der Knabe geraucht hatte.«
    Dope . Das Wort erinnerte mich immer an meine Mutter – oder allgemein an Leute, die so etwas nie geraucht hatten.
    »Dabei fällt mir

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