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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Arsenault
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dass er das nicht zum ersten Mal zu Joe sagte. »Was auch immer passiert ist, jetzt ist es vorbei.«
    Joe hatte merklich Mühe, seine Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten: Sein Kinn bebte. Ich aß den Rest von meinem Eis und hatte nun klebrige Schokokrümel an den Fingerspitzen. Toby bemerkte es und reichte mir eine Serviette.
    »Zeigen wir Nora doch das Leuchtturmzimmer«, schlug Joe vor.
    »Wenn du dich dann besser fühlst ...«, murmelte Toby.
    Toby und ich blieben noch einen Moment am Tisch sitzen, ehe wir Joe zur Treppe folgten.
    »Leuchtturmzimmer?«, flüsterte ich.
    »Dieser kleine Raum oben unterm Dach. Ich weiß nicht, ob du schon mal oben warst. Es waren nicht wir, die ihn Leuchtturmzimmer genannt haben. Das war Rose. Erinnerst du dich noch daran, als Charlotte oben war? Das war an dem Tag, an dem sie rüberkam und nach oben ging, um nach Geistern zu forschen.«
    »Ja, flüchtig.«
    »Hm, also wahrscheinlich will Joe dir die Leuchtturmgeschichte erzählen. Wir haben erst heute Morgen darüber geredet.«
    Toby und ich stiegen die Treppe hinauf. Tobys Zimmer war das erste auf der linken Seite im ersten Stock, soviel wusste ich noch. Ich sah kurz hinein, ehe ich hinter ihm her den Flur entlangging. Immer noch fiel bloß dämmriges Licht hinein, und an den Wänden hing immer noch die Blümchentapete, die überhaupt nicht zu Toby passte. Nur die Nirvana- und Pearl-Jam-Poster waren weg, die früher überall gehangen hatten.
    »Schläfst du noch hier oben?«
    »Nee. Meistens schlafe ich unten.«
    »In dem alten Zimmer von deinem Dad?«, fragte ich und war insgeheim stolz auf mich, weil ich mich noch an die Zimmeraufteilung von damals erinnerte.
    »Nein, auf der Couch. Vor allem im Sommer. Hier oben ist es mir zu heiß.«
    »Und das ist Joes Zimmer, richtig?«, fragte ich, als wir eines der anderen Zimmer betraten.
    »Stimmt.«
    Toby führte mich durch Joes Zimmer, das ebenfalls miteinem cremefarbenen und violetten Blumenmuster tapeziert war – vollkommen unpassend. Toby drehte einen Türknauf, der aussah, als gehöre er zu einem Wandschrank, doch dahinter befand sich eine schmale Treppe.
    »Das ist ja irre«, staunte ich.
    »Ja, abgedreht, oder? Diese alten Farmhäuser haben schon komische Extras.«
    Über die knarrende Treppe gelangte man in einen einzelnen Raum mit einem kleinen Fenster und pinkfarbener Rosentapete. Hier stand alles voll mit Kisten, Stapeln alter Zeitschriften und Brettspielen in rissigen Kartons. Joe war schon oben und wartete an dem kleinen quadratischen Fenster auf uns.
    »Meine Großmutter hat immer behauptet, dass der Raum früher als Zimmer genutzt wurde«, erklärte Toby. »Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass jemand freiwillig hier geschlafen haben soll. Im Sommer ist es brütend heiß, im Winter eiskalt. Für uns war es eigentlich immer nur ein Dachboden. Dad lagerte hier seine Eisenbahnzeitschriften und seine Angelausrüstung. Ich weiß noch nicht, was ich mit dem ganzen Zeug mache. Wahrscheinlich sollte ich es verkaufen.«
    »Nicht unbedingt«, erwiderte ich. »Nur, wenn du es nicht behalten willst.«
    »Guck mal«, forderte Joe mich auf und bedeutete mir, näher ans Fenster zu kommen.
    Ich ging hinüber. Vom Fenster aus hatte man einen guten Blick auf den Fox Hill. Richtung Osten, wo der Weg zur Mülldeponie einbog, sah man nur Bäume; aber Richtung Westen blickte man auf den überwucherten Rasen neben dem Haus und auf Joes Schuppen. Dahinter konnte man noch ein paar Gärten erkennen und hinter ihnen das Haus von Rose’ Familie, das weiter hinten stand als die anderen Häuser in der Straße.
    »Ich wusste gar nicht, wie viel man von hier aus sehen kann«, staunte ich.
    »Das fand Rose auch so klasse. Als wir Kinder waren und ich ihr erzählte, dass es in diesem Zimmer spukt, wollte sie sich natürlich selbst davon überzeugen. Doch sobald sie hier war, faszinierte sie vor allem, wie gut man ihr Haus sehen konnte. Schlagartig interessierten sie die Geister nicht mehr. Siehst du die beiden Seitenfenster von Rose’ Haus? Das ist das Wohnzimmer der Familie Banks.
    Sie und ich waren damals ungefähr zehn, und sie hatte gerade diesen Film gesehen, in dem zwei Nachbarskinder sich nachts aus ihren Fenstern mithilfe ihrer Taschenlampen Signale senden. In dem Film hatten sie sich tatsächlich immer irgendwas mitzuteilen, und die Zimmer der beiden lagen sich auch direkt gegenüber. Obwohl das bei uns nicht so war, wollte Rose es ausprobieren. Wir haben es ein paar Abende lang

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