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Rosenrot

Titel: Rosenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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würde nicht schlafen. Er sah nur ein einziges Bild vor sich, und er sah es die ganze Zeit, wie in einer Endlosschleife. Er fürchtete, es würde nie wieder verschwinden. Er sah einen schwachen Lichtschein, und in dem Lichtschein einen Kopf, der von der oberen Kante einer Tür herabfiel. Er sah den Kopf auf einen Menschen fallen, einen kleinen Menschen, der ihm immer näher stand. Und er sah den Blick des Kopfes, während er fiel. Und der Blick war vollkommen fremd. Er war nicht menschlich. Und immer wieder fiel der
    Kopf durch die Wohnung, und das einzige, was den großen Mann auf der Bettkante festhielt, war das leichte Streicheln über den Frauenrücken.
    Ein wenig beunruhigt darüber, dass ihre Kräfte sich zu erschöpfen begannen, zogen die Gewitterwolken noch weiter nach Süden. Die eine rührte an die hohen Hausdächer in Alby und Fittja, die andere stieg auf und strich dicht über die Dächer von Hallunda und Norsborg. Beide Wolken sanken ein wenig und stießen über einem niedrigen Haus in einer von mehreren Reihen mit exakt gleichen Häusern zusammen.
    Der Knall war nicht stark genug, um den Mann zu wecken, der halb begraben unter seiner Frau schlief. Dort fühlte er sich wohl, in Schlaf und Wärme und Dunkel. Dort war er geschützt vor seinen Ängsten. Und seine Ängste nahmen die Form des Traums an. Er träumte, dass er dachte, er habe ihre Träume geerbt. Denn sie schlief wohl nicht mehr. Sie war irgendwo in der Stadt auf der Jagd. Und in den Träumen sah er einen dicklichen Mann mit Schnauzbart, der lachte und zielte und schoss und zielte und schoss. Und Glied auf Glied löste sich vom Körper, der sowohl seiner als auch ihrer war.
    Und er war sicher, dass sie tot war.
    Als die Gewitterwolken ein letztes Mal über dem Dach zusammenstießen, kam gar kein Knall. Sie verschmolzen. Sie wurden zu einer größeren Gewitterwolke, die die Stadt verließ und weiter nach Süden durch Schweden trieb, auf der Jagd nach einer neuen Gewitterwolke, mit der sie zusammenstoßen konnte.
    Die Regengüsse wälzten sich weiter über die Stadt, hierhin und dorthin, kreuz und quer.
    Wolken in Bewegung.

34

    »Es war eine interessante Nacht.«
    Die Worte legten sich im Raum zurecht. Die Anwesenden füllten sie mit ihrem Geist, jeder auf seine Weise.
    So ungleich und doch so gleich.
    Kriminalkommissar Jan-Olov Hultin drückte die winzige Brille so tief hinunter, dass sie zitternd auf der äußersten Nasenspitze hing. Über sie hinweg betrachtete er seine Jünger, keineswegs zwölf an der Zahl, nicht einmal die üblichen sieben, sondern sechs. Und er selbst konnte kaum Anspruch darauf erheben, mehr als ein Christus im Halbformat zu sein.
    »Keine Kerstin?« sagte Arto Söderstedt und sah sich demonstrativ in der Kampfleitzentrale um.
    »Sie ist krank«, sagte Paul Hjelm.
    Hultin schob die Brille noch ein wenig tiefer. Er betrachtete Hjelm mit großartiger Neutralität. Aber er sagte nichts.
    Söderstedt hingegen fuhr fort: »Ich möchte ja nicht aufsässig sein...«
    »Doch, das möchtest du«, sagte Hultin.
    »... aber irgend etwas riecht doch faul hier. Sie ist also krank?«
    »Ja«, sagte Hjelm.
    »Sie hat dir also mitgeteilt, dass sie krank ist und sich leichten Herzens die Auflösung dieses Falles entgehen lässt?«
    »Ja.«
    Söderstedt hob die Hände zu einer resignierten Geste. »Von wegen«, sagte er.
    »Wir können später darauf zurückkommen«, sagte Hultin und blätterte in seinen Papieren.
    Je mehr ihre Arbeit computerisiert worden war, desto stärker war der Verdacht, dass seine ewigen Papierstapel nur leere Seiten waren. Dummies. Um eine Geste am Leben zu erhalten.
    Arto Söderstedt war jedoch nicht gewillt zu warten. »Nein«, sagte er und stand auf. »Es ist lächerlich zu sehen, wie ihr versucht, eine Gruppe erfahrener Detektive hinters Licht zu führen. Außerdem vermute ich, dass Kerstins Abwesenheit von direkter Relevanz für diesen Fall ist. Ich glaube, dass ihr lügt wie die Bürstenbinder. Diese so sehr verleumdete Berufsgruppe.«
    Hultin sah Hjelm an. Hjelm sah Svenhagen an. Svenhagen sah Hultin an. Hultin sagte einsichtig: »Ich habe den Eindruck, dass auch du versuchst, eine Gruppe äußerst erfahrener Detektive hinters Licht zu führen.«
    »Was willst du damit sagen?« entgegnete Söderstedt mit errötenden Wangen.
    »Versuch nicht, mir vorzumachen, dass du aus Routine oder aufgrund eines Gespürs, geschweige denn deiner Genialität so fragst. Was hast du ausgegraben?«
    Arto Söderstedt setzte

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