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Rosenrot

Titel: Rosenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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gewesen. Sie hatten mit ihren Zusammenstößen niemanden geweckt. Jetzt war Zeit für etwas ganz anderes.
    Als sie über die Stadt heranzogen, schien diese gewölbt zu sein wie ein Horizont. Eine Welt in der Welt. Verstreute Lichter waren durch das Dunkel zu erkennen, manche bewegten sich, andere standen still.
    Aber fast überall war noch Dunkelheit.
    Die Gewitterwolken glitten auseinander. Lüstern betrachteten sie einander, während sie in launischen Bahnen durch die Stadt schwebten. Der makabre Tanz der Liebe. Länger als bis Vasastan konnten sie nicht voneinander lassen. Über Birkastan stießen sie wieder zusammen.
    Der Knall versetzte eine blonde Frau mit kurzgeschnittenem Haar in Bewegung. Sie fuhr im Bett auf. Ihr Körper glaubte, dass sie erwachte, doch das tat sie nicht. Als der Körper seinen Irrtum erkannte, ließ er sie langsam aufs Kissen zurücksinken. Ihre eine Hand legte sich über ihren schwachgerundeten Bauch, die andere suchte die Hand ihres Mannes.
    Der ergriff sie.
    Er schlief nicht. Er war eben erst ins Bett gekommen. Er lag da und betrachtete ein verschmiertes Leinensakko, das auf einem Kleiderbügel an der Tür hing. Es war zu dunkel, es zu sehen, und trotzdem war es so deutlich. Es leuchtete. Der Mann wusste, dass er nicht würde schlafen können, aber er drehte sich um, legte die freie Hand auf den gewölbten Bauch seiner Frau und kroch näher heran. So nah er konnte. Er machte die Nachttischlampe an und schlug ein kleines Buch auf. Es war die Bibel.
    Die Gewitterwolken vollzogen jetzt eine jähe Wendung und trieben nach Osten. Sie umkreisten einander, näherten sich einander, entfernten sich voneinander, bis sie kurz vor Östermalm waren. Da stießen sie zusammen; sogar ein Blitz erhob sich von Vallhallavägens Baumallee.
    Das Krachen war gewaltig. Es weckte einen Mann, der vor kurzem ins Bett gekommen war. Verwirrt blickte er im Dunkeln um sich. Der Blitz verharrte noch als eine lila Kugel auf seiner Netzhaut. Seine Finger tasteten das Bett ab. Sie erreichten die Frau, die tief schlief, doch vorher berührten sie ein kleines Wesen. Die Hand bewegte sich zurück, zu dem zweijährigen kleinen Wesen. Und sie verweilte auf seiner Wange, die vor nicht allzu langer Zeit vor Fieber geglüht hatte. Dort blieb sie liegen. Er lächelte schwach der entschwindenden Blitzkugel nach und schlief wieder ein.
    Über Fredhäll prallten die Gewitterwolken erneut zusammen. Zwei Männer auf einem Sofa starrten einander blind durch den Whiskynebel an. Sie erkannten nichts, aber beide schliefen wieder ein mit dem Gefühl, dass sie ein ganz anderes Gesicht hätten sehen sollen als das, welches sie sahen. Doch das reichte nicht aus, um sie aus ihrem unnatürlichen Schlaf zu wecken. Ein kleines dunkles Kind im Nachthemd glitt an ihnen vorbei. Das Kind schlief auch. Es war Schlafwandler.
    Nach diesem Zusammenprall waren die Gewitterwolken ein wenig zerschlagen. Sie trennten sich und zogen jede für
    sich ihres Wegs nach Südosten. Über Södermalm stießen sie unbeabsichtigt zusammen. Die Anziehungskraft war so stark, dass sie nicht widerstehen konnten. Ein kleiner Blitz auf der Höhe der Bondegata war die Belohnung.
    Ein kreideweißer Mann, der an einem Fenster stand und hinausblickte, sah den Blitz sich gegen den Himmel abzeichnen. Nicht eine Sekunde ahnte er, dass er von zwei schwarzen Gewitterwolken beobachtet wurde, die gerade voneinander fortgestoßen wurden. Er hatte ihn vorher schon einmal gesehen. Den Blitz, dachte er und zog seine Hose aus. Es war genau wie dieses Adernmuster, das man sieht, wenn man Kontaktlinsen ausprobiert, wenn man die Innenseite seines eigenen Auges sieht. Die Blitze sind in unseren Augen, und wir können sie nicht sehen. Aber wir können das Beben in uns wahrnehmen. Er ließ die Hose auf den Boden fallen und ging ins Bett. Seine Frau suchte seinen Körper, als er ins Bett kam, ihr schlafender Körper drängte zu seiner plötzlich auftauchenden Wärme. Dennoch war sie es, die ihn wärmte, als ihre Körper sich umschlangen, und es mochte sein, dass sie noch schlief, als er in sie eindrang. Doch sie hatte nichts dagegen.
    Die Wolken glitten jetzt ein gutes Stück nach Süden. Der Kirchturm von Nacka sah vielversprechend aus, und sie warfen sich aneinander, mehrere Male sogar. Doch diesmal blieb der Blitz aus. Hatten sie ihre Kräfte schon erschöpft?
    Der große Mann auf der Bettkante in dem Wohnblock neben der Kirche streichelte einer dunkelhaarigen Frau den Rücken. Sie schlief. Er

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