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Rosenrot

Titel: Rosenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Vermutlich hatte sie sich in die Kampfleitzentrale begeben wollen, um es dort mitzuteilen – doch das Schicksal hatte es anders gewollt. Das Schicksal wollte, dass ein Bote auftauchen und ihr einen mit Unheil gefüllten Umschlag in die Hand drücken sollte. Das Schicksal wollte, dass sie auf dem Absatz kehrtmachen und spurlos verschwinden sollte.
    Es war Samstag. Im Polizeipräsidium war nicht viel los. Der Regen vor den Fenstern hatte sich beruhigt. Es war ein Wetter, das sich durch das Fehlen von allem auszeichnete: von Regen, von Sonne, von Licht, von Dunkel, von Wolken, von Himmel. Der Tag war grau wie die Hölle.
    Wie hatte sie herausgefunden, wo Lundmark sich aufhielt?
    Und Viggos unerwartet spitzfindige Schlussbemerkung:
    Gab es Spuren von Lundmarks Schock in Ragnarssons Selbstmordbrief?
    Er wollte sich auf Kerstins Rechner den Brief herunterladen. Im Hintergrund, auf seinem eigenen Rechner, waren ihre Stimmen zu hören: Lundmarks, Kerstins – und seine eigene. Er tastete nach der Maus. Sie war weg. Er verfolgte die Schnur in den umfangreichen Papierhaufen auf ihrem Schreibtisch. Dabei sah er die Überschrift auf einem Blatt, bevor er die Maus fand und Ragnarssons Brief auf Kerstins Bildschirm aufrief. Die Überschrift ruhte eine Weile in seinem Gehirn, bis es zum Kontakt zwischen ihnen kam.
    Zwischen der Überschrift und seinem Gehirn.
    Da stand: ›Bewerbung um die Stelle als Kommissar bei der Abteilung für interne Ermittlungen‹, mit der untergeordneten Überschrift ›Curriculum vitae: Kerstin Holm‹.
    Er seufzte und dachte einen Moment lang an seine eigene Bewerbung. Als er in Trelleborg auf dem Bett gesessen und mit seiner eigenen blassen ›Vita‹ konfrontiert worden war. Diese Wahnsinnsbezeichnung, die Bildung bis ins Mark vortäuschte.
    Kerstins Vita kam aus Göteborg. Ihre Arbeitsbescheinigung von der Dienstzeit in Göteborg. Kurz, stringent, sachlich. Eine objektive Liste über eine lange und interessante und gefährliche und schwierige Zeit. Sie ging rückwärts, begann vor ein paar Jahren, als die A-Gruppe vorübergehend aufgelöst war. Man hatte sie an ihren alten Polizeidistrikt ausgeliehen, wo auch Dag Lundmark arbeitete. Dass er das vergessen hatte. Das kühle Verhältnis zwischen den beiden hatte schließlich die ganze Polizeiwache in Raureif gehüllt, und so hatte sie wieder gehen dürfen. In einen Vorortdistrikt. Angered. Ein raues Pflaster und wenig stimulierend. Das hatte sie doch erzählt. Wie konnte er es vergessen haben?
    Doch nicht das erregte seine Aufmerksamkeit, sondern etwas anderes, was noch ein paar Jahre weiter zurücklag. Eine Lücke in der detaillierten Arbeitsbescheinigung. November 1993 bis April 1994. Ein Loch in der Zeit.
    Ein halbes Jahr vom Dienst befreit.
    Das hatte sie nie erwähnt.
    Kerstin Holms und Dag Lundmarks Beziehung dauerte vom Frühjahr 1992 bis zum Sommer 1994. Gegen Ende des Verhältnisses hatte man sie ein halbes Jahr vom Dienst befreit. Warum, wurde nicht gesagt.
    Etwas nahm Form an.
    Erinnerte das hier nicht an etwas? War nicht irgendwo in dieser Ermittlung etwas Ähnliches vorgekommen?
    Er blickte auf den Bildschirm. Ragnarssons Selbstmordbrief.
    Claudine.
    Gegen Ende von Ola Ragnarssons und Claudine Verdurins ein Jahr lang dauerndem Verhältnis war Claudine plötzlich verschwunden. Als sie sich trennen wollte, hatte sie ihm die Wahrheit ins Gesicht geschleudert. Sie hatte eine Abtreibung durchgeführt und das Kind ihrer Liebe getötet. Das hatte ihn vollkommen gebrochen.
    War es das, was Kerstin in jenem Winterhalbjahr 93-94 getan hatte? War sie weggefahren, um eine heimliche Abtreibung vorzunehmen?
    Diese sonderbaren Passagen in Ragnarssons Selbstmordbrief.
    ›Ich verließ die, die mich liebte – ich stieß das Messer in den Leib meiner Geliebten.‹
    Und: ›Meine Geliebte und ich schufen etwas Schönes – aber die, die mich liebte, verbarg es vor mir, zog das Schöne in den Schmutz und warf es fort.‹
    Das passte nicht zusammen. Das erste stimmte ganz einfach nicht. Nicht Ragnarsson hatte seine Geliebte verlassen, sondern sie ihn. Wie es in der zweiten Passage denn auch richtig hieß.
    Mit aller Sicherheit hatte Lundmark den Brief komponiert. Warum war es ihm so wichtig, dass Ragnarsson diesen Teil seiner Vergangenheit erwähnte?
    Weil dies der Ausgangspunkt war.
    Weil es der Schock war, der Kollaps.
    Weil es der Tobsuchtsanfall in Rudhagens Klinik war.
    Sie sitzen in der Bibliothek. Lundmark liest in der Bibel. Ragnarsson erzählt still

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