Rosenrot
Sjöberg war eine richtige Bauersfrau, die viel Marmelade und Saft machte und Gurken einlegte und Pfirsiche und Steckrüben und was nicht alles einkochte. Max seinerseits war ein Prachtbauer. Mit dem Traktor verwachsen. Niemand hat irgend etwas Schlechtes über sie zu sagen. Vielleicht aber auch nicht viel Gutes. Sie haben nicht viel gesagt. Schweigsam wie Leute aus Norrland, wie eine Kindergärtnerin es ausdrückte. Sie ist selbst aus Norrland und quasselt ununterbrochen.«
»Und diese Firma Bondejouren?«
»Ich habe mit den beiden gesprochen, die sich den Job bei Sjöbergs geteilt haben. Jonas und Hasse. Jonas Bergström und Hans-Erik Krona. Machen einen tadellosen Eindruck. Landarbeiter der alten Schule. Grashalm im Mund und verschmitztes Grinsen.«
»Weichet von mir, Vorurteile.«
»Naja, meinetwegen. Aber die Kartei von Bondejouren wird nicht besonders gut aufbewahrt. Es ist nur ein ganz kleiner Einbruch nötig, wenn jemand sie mitgehen lassen will. Man könnte sich das Internet als eine Möglichkeit vorstellen, aber die Firma hat nicht einmal eine eigene Website. Der geschäftsführende Direktor Kurt Ström ist in jeder Bedeutung des Wortes ein klassischer Bauer. Ragnarsson könnte die Adresse von ihm haben. Der perfekte Überblick über alle, die verreisen wollten. Das spräche dann für den Zufallsfaktor: Welche passten in seinen Zeitplan für die Rückreise?«
»Keine Einbrüche gemeldet?« fragte Hultin.
»Nein. Bondejouren liegt auf dem platten Land, ein paar Kilometer außerhalb von Trelleborg. Sicherheitsdenken Fehlanzeige. Manchmal macht Ström sich nicht einmal die Mühe, abzuschließen. Er selbst wohnt in Malmö. Wenn man ein routinierter Serienmörder ist, der nie Spuren hinterlässt, dann hat man kein Problem, sich dort Zugang zu verschaffen und in der Kartei nachzusehen, ohne dass irgend jemand es bemerkt. Hat Interpol von sich hören lassen?«
»Ich habe mit einigen gesprochen, aber es ist alles so unglaublich vage. Wir wissen nicht einmal, in welchen Ländern wir suchen sollen.«
»Jetzt kommt mein Zug«, sagte Hjelm. »Haben wir sonst noch etwas zu besprechen?«
»Hast du die Dreistigkeit, mir zu sagen, dass du auf dem Hauptbahnhof in Malmö stehst und deinen Abschlussrapport durchgibst? Schämst du dich nicht?«
»Nicht direkt«, sagte Paul Hjelm und drückte auf die Austaste.
23
Nacht. Nur einzuschlafen war unvorstellbar. Zum einen die Schlaflosigkeit. Die Gedanken, die sie bedrängten. Zum anderen die Träume. Die bedrängende Abwesenheit von Gedanken. Scylla und Charybdis, die beiden Ungeheuer, so gleich und so ungleich – war es möglich, zwischen ihnen hindurchzusteuern wie Odysseus?
Nur ruhig und gut zu schlafen?
Es war jetzt eine Weile her. Und auch wieder nicht. Es war die Nacht zu Freitag, zwei Uhr, und die Regeringsgata lag vollkommen still vor dem Fenster. Kein nächtlicher Wanderer, keine Saufkumpane. Leer und regennass. Dunkel. Sogar der gespenstische Schein der Straßenlaternen wirkte in der Nässe dunkel. Es war schwer, sich vorzustellen, dass sie am Dienstagmorgen mit so leichten Schritten durch die City gejoggt war und dem arroganten rosenroten Porsche mit ihrem alten Verlobungsring einen Kratzer beigebracht hatte.
Da war noch Sommer. Jetzt war es Herbst.
Sie lehnte die Stirn gegen die kalte Fensterscheibe und drehte den Ring. Warum trug sie ihn immer noch?
Die fliegenden Glassplitter hatten den Ringfinger ausgelassen. Große Teile beider Hände waren zugepflastert, aber nicht der Ringfinger. Es war wie ein Zeichen, das sie nicht deuten konnte.
Jenes schwarze Loch, das sich plötzlich offenbart hatte, als sie in die verlassene Werkstatt im Gewerbegebiet Ulvsunda gegangen war, kam näher, egal, ob sie schlief oder wach war. Ein schwarzes Loch mit einem unendlichen Sog. Nichts kam aus ihm heraus. Alles, was in seine Nähe geriet, wurde eingesogen. Ein schwarzes Loch in der Zeit. Und plötzlich war es sichtbar. Es war wider die Natur eines schwarzen Lochs, sichtbar zu sein. Wider seine Funktion. Seine Funktion war, alles zu schlucken, was in seine Nähe kam – Gedanken oder Nicht-Gedanken, Träume oder Nicht-Träume.
Aber jetzt zog alles in die entgegengesetzte Richtung.
Sie hatte ihre Dienstwaffe auf ein Kind gerichtet. Sie war sehr, sehr nahe daran gewesen, auf einen kleinen Jungen zu schießen, der in einer trostlosen verlassenen Werkstatthalle Lösungsmittel schnüffelte.
Es ging ihr nicht gut.
Ihr Blick wanderte hinüber zur Kungsgata. Sie war nicht
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