Rosenrot
und vor allem einer ganz gewöhnlichen Schmerztablette. Rezeptfrei. Sie kennen sie sicher aus den Apotheken. Mit ihr machen wir gut fünfzig Prozent unseres Umsatzes. Aber kommen wir zurück auf den Mann, den Sie suchen. Modinsone?«
»Modisane«, sagte Gunnar Nyberg. »Vielleicht haben Sie in der Zeitung von ihm gelesen. Er ist tot.«
Informationschef Carl-Ivar Skarlander wandte den Blick aufwärts in Normalaugenhöhe und sagte: »Ich fürchte, das sagt mir nichts.«
»Schwarzafrikaner mit einem Abschiebungsbescheid, der von einem Polizisten erschossen wurde«, sagte Chavez. »Vielleicht sagt Ihnen das etwas.«
»For whom the bell tolls«, sagte Nyberg in korrekter Aussprache.
Es sah aus, als schaute Skarlander Tennis. Smash, lobb, smash, lobb. Allerdings ohne wirkliches Sportinteresse. »Nein, tut mir leid«, sagte er geduldig.
»Er hat als nächtliche Reinigungskraft schwarz gearbeitet«, sagte Chavez.
»Hier«, sagte Nyberg.
»Hier?« sagte Skarlander. »Das kann ich nur sehr schwer glauben.«
»Es ist Tatsache«, sagte Nyberg.
»Eine gravierende Tatsache«, sagte Chavez.
Informationschef Carl-Ivar Skarlander wurde jetzt wirklich ganz und gar Informationschef. Um Situationen wie diese zu meistern, war er angestellt. Es stand bestimmt in seiner Aufgabenbeschreibung. Das A und O war jetzt, nicht zu lügen und doch nicht die Wahrheit zu sagen. »Ich muss zugeben, dass ich keinen Überblick über unsere Reinigungsverträge habe. Ich weiß, dass die Reinigung an Subunternehmen vergeben wird, aber ich weiß nicht, wann, wo und wie. Und wie die Subunternehmen ihre Arbeit erledigen und organisieren, das entzieht sich gänzlich unserer Kontrolle. Wir entscheiden uns für das günstigste Angebot. Wenn das, was Sie mir sagen, zutrifft, werden wir selbstverständlich den Vertrag mit sofortiger Wirkung kündigen.«
»Es ist einfach geputzt, wenn Sie morgens kommen?« fragte Nyberg. »Abrakadabra, und der Staub fliegt davon.«
»Wie gut wissen Sie denn Bescheid darüber, wer Ihre Büros putzt«, sagte Carl-Ivar und traf damit ins Schwarze.
Das ließ die beiden Herren Polizisten verstummen. Wer würde jetzt den ersten Stein werfen?
Chavez war es. Und von Stein konnte kaum die Rede sein. Eher vom verirrten Papierball eines miserablen Jongleurs. »Das bedeutet, dass Sie uns auch nicht sagen können, wo genau Modisane geputzt hat?«
»Richtig«, sagte Skarlander. »Aber unsere Räumlichkeiten sind nicht übermäßig groß. Wenn er nachts hier war, könnte
er fast das ganze Haus geschafft haben. Wissen Sie, ob er allein war? Oder waren sie zu mehreren?«
Noch ein Dämpfer für ihr vor wenigen Sekunden noch so aufgeblähtes Selbstvertrauen. Beide hatten es versäumt, Joakim Backlund nach diesem wesentlichen Detail zu fragen. Jetzt galt es, nicht zu lügen und doch nicht die Wahrheit zu sagen. Das A und O.
Der Geschmeidigste gewinnt. Chavez gewann.
»Genau das versuchen wir zu klären. Im Augenblick ist der Punkt noch etwas unklar.«
Informationschef Carl-Ivar Skarlander erkannte seinen eigenen Tonfall und seine eigene Strategie. Kein Lächeln spielte um seine Mundwinkel, er verzog keine Miene – und doch wirkte er sofort ein wenig entspannter. Er schaute nicht mehr Tennis, er blickte von oben herab.
»Ich werde folgendes tun«, sagte er. »Ich sehe mir unsere Reinigungsunternehmen an und versuche, jemanden zu finden, der etwas mehr darüber weiß als ich. Und wenn Sie etwas mehr wissen, melden Sie sich bei mir. Klingt das gut?«
Es klang alles andere als gut. Und das wusste Skarlander sehr wohl. ›Und wenn Sie etwas mehr wissen, melden Sie sich bei mir.‹ Eine versteckte Kränkung von Format. Wahrscheinlich musste er hinter seiner polierten Fassade laut lachen. Und in der Zwischenzeit würden mit Reines Haus falsche Verträge geschrieben, und alles würde durch und durch legitim sein. Auswege gab es immer.
Sie verabschiedeten sich mit dem Gefühl, überfahren worden zu sein. Von einem sanft lächelnden Informationschef.
Vermutlich wäre es bedeutend besser gelaufen, wenn Sara dabei gewesen wäre. Sie wusste, wie man viele Bälle in der Luft hielt.
22
Er hätte keine Überstunden zu machen brauchen. Dennoch saß er da wie ein treuer Hund und bewachte das dunkle Polizeipräsidium. Das nicht bewacht zu werden brauchte. Dafür waren andere da.
Plötzlich hatte er keine Funktion mehr. Plötzlich hatte er einen Einblick bekommen, wie sein Leben als Pensionär sich gestalten würde. Alle waren die ganze Zeit
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