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Rosenrot

Titel: Rosenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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zu sehen, aber ihre Lichter. Wie eine Lichtsphäre, die zum Himmelsgewölbe aufstieg. Aber kein Laut, keine Spur der üblichen Horden von Saufbrüdern.
    Sie fuhr fort, ihren Ring zu drehen, zu drehen, zu drehen, und sie versuchte zu denken.
    Dag Lundmark hatte einen leeren Büroraum der vor langer Zeit in Konkurs gegangenen Firma Nilssons Lackierwerkstatt genutzt. Dort konnte er ungestört seine zeiteingestellte Anrufvorrichtung zusammenbasteln.
    Aber warum funktionierte das Telefon?
    Warum war der Anschluss nicht abgeschaltet?
    Ein Versehen der Telia in dieser Zeit des telekommunikativen Chaos? Oder hatte Dag sogar die Rechnung bezahlt? Ebendiesen Anschluss weiterbezahlt? Weil ihm diese Räumlichkeit so gut zupass kam?
    Nichts verband Dag Lundmark zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit dem auf Band gespielten Anruf, und auch nichts mit Nilssons Lackierwerkstatt. Die Zahnarztlüge und die Tatsache, dass die Polizistin Britt-Marie Rudberg ›der Schuss‹ gesagt hatte, reichten in einem Gerichtssaal nicht weit. Aber, es kam ihr plötzlich in den Sinn, es gab zwei Dinge, die reichen konnten: als erstes die Telefonrechnung, als zweites – der Junge. Der schnüffelnde Junge konnte ihn tatsächlich gesehen haben.
    Sie musste an den Ort dieses Alptraums zurück.
    Und sie musste Bo Ek ein bisschen unter Druck setzen. Wenn es einen gab, der wusste, wo Dag Lundmark war, dann war es sein Streifenpartner auf der Polizeiwache im Distrikt Flemingsberg in Huddinge. Der Jüngling, der seinen Kollegen und Mentor verehrte.
    Aber damit überhaupt etwas möglich wurde, musste sie schlafen.
    Sie blickte zum Himmel auf. Er war vollkommen schwarz.
    Sie ging wieder ins Bett. Als sie aufstand, wusste sie nicht, ob sie geschlafen hatte.
    Aber ausgeruht war sie nicht.

24

    Freitag, der siebte September, überraschte mit trockenem Wetter. Und es war nicht nur trocken, die Sonne hieß Arto Söderstedt sogar willkommen, als er über die in Doppelreihe geparkten Wagen in der Bondegata hinwegblickte. Ganz unten bei der Götgata entdeckte er sogar ein flottes Dreierparken.
    Doch das interessierte ihn nicht die Bohne. Die Sonne breitete eine versöhnliche Decke über dieses Chaos. Sogar der Schmerz in den Zähnen kam ihm erträglich vor.
    Er blickte über den Frühstückstisch, über die Horde weißblonder Köpfe, die in verschiedene Richtungen unterwegs waren, und registrierte die verschiedenen Grade von Panik über fehlende Hausaufgabenhefte oder fleckige Jeans oder verlorene Kuscheltiere oder Frisuren, die nicht sitzen wollten, wie sie sollten. Und er dachte an Kinder. Daran, wie man es empfinden würde, wenn man die Fähigkeit verlor, Kinder in die Welt zu setzen.
    Er dachte an Claudine Jaurets Tränen.
    Und er dachte an Ola Ragnarssons Selbstmordbrief, ›Ich und meine Geliebte schufen etwas Schönes – doch die, die mich liebte, verbarg es vor mir, zog das Schöne in den Schmutz und warf es fort.‹ Es war eine poetisch prägnante und ziemlich schreckliche Beschreibung einer Abtreibung. Und die Formulierung kehrte im Zusammenhang mit seinem eigenen eventuellen Serienmorden wieder.
    Aber etwas scheuerte. Arto Söderstedt war daran gewöhnt. Er hatte es früher schon erlebt. Es lag und scheuerte wie ein Sandkorn in einer Muschel. Oder eher wie eine Fliege im Auge, die man sozusagen auf die Rückseite des Augapfels gezwinkert hat, wo man sie nicht fassen kann.
    Beim letzten Mal, als es geschah, hatte er die Fliege und mehr dazu zu fassen bekommen. Jetzt war es schlimmer. Es gab so wenige Anhaltspunkte. Er merkte, dass er im Begriff war, sich auf den sich entziehenden Ola Ragnarsson zu fixieren.
    Psychologisches Profil.
    In der Jugend in Vallentuna gemobbt. Keine Verwandten, mit denen er reden konnte. Danach die Wirtschaftshochschule. Jung und ›geldgeil‹. Eine unglaubliche Energie. Als ob er bewusst die Augen verschlösse. Um vor der ›Verletzbarkeit‹ in seinem Wesen wegzulaufen. Dann endlich holte es ihn ein, als er sich in die mindestens ebenso geldgeile Claudine Verdurin verliebte. Er wurde immer weniger Geschäftsmann. Er war für Claudines Geschmack ein allzu ›friedlicher‹ und allzu ›leicht lenkbaren Mensch. ›Er war schüchtern und verlegen und sehr leicht lenkbar. Das einzige, worauf er sich verstand, war Geld. Aber das dafür um so besser.‹ Der Verrat war furchtbar. Sie hatte sein Kind getötet. Schon am Tag nach der Entdeckung verschwand er und ließ seinen Kollegen Rundqvist die gesamten Geschäftsaktivitäten

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