Rosenschmerz (German Edition)
Bergfalten des Zahmen Kaisers tiefschwarze
Schatten, die mit dem glänzenden Weiß des Schnees in den Felswänden und dem
dunstigen Purpurgrau in der Ebene davor kontrastierten. Eine kleine Herde
Pferde – Füchse und Rappen – sah aus, als wäre sie mit dünnem Pinsel
und intensiven Farben in die Landschaft hineingemalt. Wie ein Spielzeug rollte
ein Bulldog in dunklem Grün geräuschlos an ihnen vorbei.
Zur Dienststelle nahm Ottakring den Porsche. Liebevoll umstreifte er
ihn und stellte zum ersten Mal fest, dass sich der orangefarbene Lacküberzug
eine gewisse Ähnlichkeit mit Mick Jagger oder Keith Richards zugelegt hatte. Er
drehte den Zündschlüssel und genoss das kernige Brummen. Seine Lola! Ski fahren
gehen wollte sie. Er bewunderte ihren Mut. Doch er hatte ihr zur Zurückhaltung
geraten. Beim Skifahren und den entsprechenden Vorbereitungen nahm man Leiden
auf sich, die im normalen Leben keiner freiwillig aushalten würde. Er konnte
sich nicht vorstellen, dass das für Lolas Heilprozess hilfreich sein würde.
»Lass das nur meine Sorge sein«, hatte sie geantwortet. »Ist’s nicht
einfach so, dass du keine Zeit für mich hast? Weil du so tief in deinem Fall
steckst?«
Der Radetzkymarsch erklang. Sein Klingelton. »Ja?«
»Huawa hier, Herr Kriminalrat. Ich hätt da eine Frage.«
»Na, dann schießen Sie los, Huawa. Wie geht’s dem Herrn Huber?«
»Ja, darum geht’s eben. Wissen Sie, mei Frau, die hat Eahnern Hund
ja am Tag. Sie mog den Hund, des is gwiss. Aber sie is des halt net gwohnt.
Soll sie ihn bloß in der Früh fuadern oder aa auf d’ Nacht? Wie oft muass sie
mit eahm zum Pieseln raus? Solchene Sachn halt. Dürft i höflich fragen, ob Sie
uns net a kurze Einweisung geben könnten, Herr Kriminalrat? A Briefing?«
In den Minuten, die der Huawa brauchte, um seine Frage vorzubringen,
hatte Ottakring die drei Kilometer vom WEKO bis zur Panoramakreuzung zurückgelegt, obwohl er sich an die
Geschwindigkeitsbegrenzung gehalten hatte. Ab hier wurde es nerviger. Er
steckte mitten im mittäglichen Stoßverkehr.
»Freilich, Huawa, machen wir. Es ist bei mir im Moment nur eine
Frage der Zeit. Das kennen Sie ja. Aber vielleicht finden wir zwei, Sie und
ich, heute Nachmittag ein paar Minuten? Sind Sie nachher im Dienst?«
»Ja, freili, Herr Kriminalrat! Sie, des wär fei gscheit schee.«
Ottakring machte es diebischen Spaß, manchmal in Dialekt zu
verfallen. »Und passen S’ bloß auf, dass Eahna Frau net vom Stangerl foit,
gell?«, sagte er.
Er parkte auf der Loretowiese. Nahm den Hintereingang und
umging so den Huawa an der Pforte. Das Briefing mit ihm musste warten.
Chili und Eva M. traf er im Flur des dritten Stocks. Beide
strahlten, als kämen sie gerade gemeinsam vom Standesamt.
»Kommt rein, ihr zwei«, brummte Ottakring. »Und tut nicht so
geheimnisvoll.«
Er ließ sie an der kleinen Sitzgruppe Platz nehmen.
» AFIS «, sagte Eva M. halblaut. Sie
äugte verschwörerisch zu Chili.
»Ich weiß«, sagte Ottakring. Seine Gedanken waren noch woanders.
»Automatisiertes Fingerabdruckidentifizierungssystem. Was ist damit?« Einen
Augenblick später hämmerte er auf den Tisch. »Hey! Sagt bloß, ihr habt ein
Ergebnis?«
Beide nickten.
»Eva M. hat«, bekannte Chili. »Ganz heiß und direkt vom BKA .«
»Genau«, sprang Eva M. ein. »Ich hab direkt mit meiner
Dienststelle verhandelt. Deshalb …«
»Raus damit!« Ottakring wurde ernst und laut. »Ich mag es nicht,
wenn jemand nicht zur Sache kommt.« Er nahm Eva M. ins Visier. »Brauchst
gar net so die Augen verdrahn, Madl. Also noch mal. Und ich will’s von Ihnen
hören, Eva M.«
Das Madl erblühte in sanftem Rot. »Das BKA hat mit allen Fingerabdrücken am Saunafenster einen Suchlauf gemacht. Einer war
positiv.« Sie sah Ottakring erwartungsvoll an.
Chili grinste und spitzte die Lippen.
»Okay. Ein bisserl spannend dürfen Sie’s ja machen, Eva M. Zu wem gehört nun der positive Fingerabdruck? «
»Zu Katharina Silbernagl.«
Uff. »Sicher?«
»Sicher!«
Auch Chili nickte eifrig.
»Aber da ist noch mehr.« Eva M. platzte fast vor Stolz. »Es hat
natürlich einen Grund, dass ihre Prints im AFIS sind. Sie ist vorbestraft. Auf Bewährung. Wegen Taschendiebstahl. Und wegen
Ladendiebstahl. Den Rest erhalten wir per Fax vom BKA .«
»Wann?« Die Antwort kannte er selbst. Auf das BKA hatte niemand außer dem Herrgott Einfluss. Und
selbst da war er sich nicht ganz sicher. Er warf einen langen Blick auf die
Digitaluhr an der
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