Rosentod: Thriller (German Edition)
Wochenende?“
„Was sonst?“ Ullas Vorgesetzter klingt gereizt, er fährt sich durchs schüttere Haar, erhebt sich und geht ans Fenster. Dann steckt er sich eine Zigarette an und wirft einen Blick in den Innenhof, in dem die Dienstfahrzeuge parken.
Ulla blättert hektisch in den Unterlagen.
„Das war vielleicht wieder eine Scheißnacht“, brummt Nüssler zwischen zwei Lungenzügen. „Neun Einbrüche, vier Raufereien unter Ehepartnern, zwei schwer verprügelte Jugendliche, beschädigte Autos in der Judendorfer Straße, Diebstahl einer Geldbörse im Restaurant Arkadenhof und eine Abgängigkeitsanzeige. Ein verschwundenes Mädchen.“
„Ach. Weiß man schon Näheres?“
„Sie haben die Mutter befragt. Die kann uns gar nichts sagen. Typisch.“
„Wie teilen wir die Arbeit auf?“
„Um die Sachbeschädigungen, die Ehestreitigkeiten, Schlägereien und den Diebstahl kümmern sich Fuchs und Weiprecht. Die hatten gestern Nacht Journaldienst. Die Einbrüche bearbeiten Gratzer und seine Mitarbeiter.“
„Dann übernehme ich die Sache mit dem Mädchen“, ergänzt die Chefinspektorin die Worte ihres Herrn und Meisters, nimmt die Mappe und federt hoch.
„Das hat Zeit.“ Gedankenverloren befiehlt ihr Nüssler, ihn bei der Morgenbesprechung mit dem Polizeidirektor zu vertreten. Ihre schriftliche Stellungnahme zur Strafprozessreform sei auch noch ausständig.
Ulla entkommt ein tiefes Seufzen. Sie weiß, Nüssler ist sauer, weil er zum Oberbürgermeister muss. Unglücklicherweise sind die fünf Schläger, welche nachts das Stadtzentrum unsicher machen, immer noch nicht gefasst, und was der oberste Politiker der Stadt dazu zu sagen hat, kann sie sich lebhaft vorstellen. Daneben ist ja auch noch diese Podiumsdiskussion zum zunehmenden Vandalismus vorzubereiten. Ein unangenehmes Thema. Luftpuderei, wie der Major zu sagen pflegt. Viel Wind und wenig Resultate.
Ob man wegen dieser Abgängigen doch nicht besser sofortige Erhebungen einleiten solle, fragt sie dennoch keck.
Unwillkürlich verzieht Nüssler das Gesicht. „Weiprecht kann ja schon einmal in den umliegenden Krankenhäusern nachfragen“, meint er verdrossen. „Das schadet nicht. Vielleicht hängt sie ja wirklich dort herum. Mit einer Alkoholvergiftung“, schließt er.
Wie ungerecht dieser Mensch ist, ärgert sich Ulla. Und wie dumm. Camus hat schon Recht, wenn er sagt: Grausamkeit empört, Dummheit entmutigt .
„Wie Sie meinen“, erwidert sie gleichgültig.
„Meine Antwort passt Ihnen nicht, oder?“
„Wieso? Gibt es sonst noch etwas?“
„Klar doch. Den Spruch des Tages.“ Zielsicher zieht der cholerische Kripochef ein schmales Büchlein aus seiner Sakkotasche und schlägt es auf.
„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, zitiert er im Brustton der Überzeugung. Ulla nimmt es hin. Gottergeben.
„Na dann mal los.“
Aufatmend verlässt die Chefinspektorin Nüsslers Büro, verzieht sich in ihre Kanzlei und studiert noch einmal die Tagesberichte.
Elke Röhm. Abgängigkeitsanzeige, erstattet am Samstag, 12.30 Uhr. Röhm. Hat sie den Namen nicht schon einmal gehört? Wo denn? Sie kann sich nicht erinnern.
***
Während sie nachdenkt, zieht Ullas Chef eine Etage tiefer gerade das Telefon an der Strippe über den Tisch und wählt eine Nummer.
„Joe? Nüssler spricht. Wie war dein Wochenende? Gut? Das freut mich. Ich? Schlecht gelaunt? Ach wo. Die Spärlich war gerade bei mir. Jetzt ist die schon wochenlang bei uns und es läuft immer noch nicht.“
Maringer sagt erst einmal gar nichts. Ist auch nicht nötig. Nüssler quasselt ja sowieso gleich weiter. „Die Frau Magistra nervt mich“, jammert er. „Wenn ich ihre Stimme höre, bekomme ich Schweißausbrüche.“
„Sie ist eine gute Kriminalistin“, antwortet Maringer. „Fleißig, zäh und gar nicht dumm.“
„Ich spreche nicht vom Arbeitspensum, ich rede von ihrem Führungsverhalten“, faucht der Major. „Schließlich ist sie meine Nummer zwei. Obwohl ich dich als Stellvertreter vorgeschlagen habe. Nicht zuletzt wegen ihrer bekannten Mängel. Die Spärlich haben wir den Ignoranten im Ministerium zu verdanken. Die Frau ist doch ungeeignet. Jemand, der die Nerven verliert, ist auf einer Führungsposition fehl am Platz.“
„Die Sache in Graz ist lange her“, wendet Maringer ein. „Da denkt kein Mensch mehr dran.“
Darauf würde er nicht wetten, unterbricht ihn Nüssler. Außerdem können ihm Weiber sowieso gestohlen bleiben.
„Ach Gott. Die Spärlich kann doch nichts
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