Rosentod: Thriller (German Edition)
interessantes Ambiente und exzellenter Service. Der Besitzer empfängt seine Gäste in kaiserlicher Uniform. Wenn du dort Hof hältst, wäre das doch passend.“
Mama ist einverstanden.
Dann bestellt Ulla einen Tisch.
Gedankenverloren bringen Ulla und Joe ihr Leergeschirr an die Theke. Maringer wird Aschenbrenner ein weiteres Mal verhören. Koschinsky wünscht das so.
„Hoffentlich macht er kein großes Drama aus eurer Auseinandersetzung“, seufzt Ulla. „Wer weiß, was da auf dich zukommt, wenn er sich bei Nüssler ausweint.“
„Was kommt, kommt“, grinst Joe. „Und sonst? In letzter Zeit bist du so sauer. Wahrscheinlich hätte ich nach unserer letzten Nacht nicht so sang- und klanglos verschwinden dürfen.“
„Zugegeben, ich war etwas verstört deswegen. Dass sich einer nach dem Sex auf diese Art verkrümelt, bin ich nicht gewöhnt.“
„Das hat nichts mit dir zu tun, Ulla“, sagt er. „Das stammt aus meiner Kindheit. Wenn mich meine Gefühle überschwemmen, muss ich weg. Raus in die Nacht. Sonst explodiere ich. Das war schon immer so.“
„Schwamm drüber. Hauptsache, du kommst zurück. Sag einmal, rufst du mich ab und zu an, ohne dich am Telefon zu melden?“
„Spinnst du? Warum sollte ich das tun?“
„Vielleicht willst du ja bloß meine Stimme hören.“
„Wenn ich dich anrufe, habe ich dir auch was zu sagen“, antwortet Joe mit zusammengekniffenen Augen. „Also: Von welchen Anrufen redest du?“
„Mach dir keine Sorgen“, wiegelt sie ab. „Erzähl mir lieber von dir. Alles. Ausnahmslos.“
Über sich reden? Darin hat er keine Übung, protestiert er.
„Dann reden wir eben ein anderes Mal“, lenkt sie ein. „Heute Abend. Bei mir.“
Kaum ist Ulla wieder im Büro, ist die romantische Stimmung dahin. Da beginnt sie zu zweifeln. Liebe? Lohnt sich das? Was denn, wenn Joe die Kontrolle übernimmt? Kann sie sich gegen ein derartiges Mannsbild behaupten? Und wenn er sie verlässt? Dann bricht doch wieder eine Welt zusammen. Das will sie nicht. Das verkraftet sie nicht mehr. Außerdem gibt es Indizien, die Joe belasten. In einem Mordfall. Auch, wenn sie das immer wieder verdrängen will.
Also. Was tun?
In diesem Augenblick eilt der Journalbeamte herbei. Der Chef der Polizeiinspektion Innere Stadt melde den Verlust von drei Paar Handschellen, sagt er.
„Endlich.“
Raus aus dem Büro. Runter ins Parterre. Hinein in den nächsten Dienstwagen und mit Blaulicht ab ins Zentrum.
Draußen ist es warm. Als sie den Bahnhof passiert, läuft die Frontscheibe an. Fluchend hantiert Ulla an der Lüftung, registriert einen stechenden Schmerz im Kopf und verdrängt ihn gleich wieder.
Die neue, modern ausgestattete Wachstube ist bloß ein paar Häuser von der Hauptschule entfernt. Abstellplätze sind hier Mangelware. Also parkt Ulla den Audi im Halteverbot vorm Haupteingang und eilt ins Haus.
Der junge Uniformierte, der sie empfängt, ist nervös, aber sehr aufmerksam. Galant nimmt er ihr die Jacke ab, hängt sie an die Garderobe und begleitet sie in den Sozialraum. Ein großes helles Zimmer mit kleinem Küchenblock, Fernseher und Kaffeemaschine, zwei Tischen, zwei Bänken und einer Menge Sesseln, alles in Ahornholz. Weiße Wände, mit Bildern behängt. Lauter Gruppenaufnahmen von Polizisten verschiedenen Alters. Ein Bild mit Trauerflor. Ein Kollege, der mit dem Motorrad zu Tode stürzte. Ein junges sympathisches Gesicht mit hoffnungsfrohem Lachen.
Am Tisch neben dem Fenster sitzt der Dienststellenleiter. Massig, tadellose Uniform und sehr kurzes eisengraues Haar. Er erhebt sich, nennt seinen Namen und drückt ihr die Hand. „Nehmen Sie doch Platz. Kaffee?“
„Ja. Gern.“
Vorsichtig füllt der Kollege Ende 50 Kaffee in zwei Tassen.
Gemeinsames Kaffeetrinken schafft friedliche Atmosphäre, heißt es in Österreich. Ein wenig davon geht verloren, als Ulla barsch das Wort ergreift. Wie es möglich sei, dass sich dienstliches Gerät so einfach in Luft auflöse, will sie wissen. Und wieso sie erst heute davon erfahre.
Die erste Frage kann der schuldbewusste Kommandant schon einmal nicht beantworten. „Dass aus einem verschlossenen Waffenraum drei Paar Handschellen verschwinden, ist eigentlich unmöglich“, rechtfertigt er sich. „Der Raum ist durch ein Zahlenschloss gesichert. Der Code wird von mir jährlich einmal neu festgelegt und dem Kommando schriftlich gemeldet.
Jeder Beamte besitzt seine eigene Handschelle. Die hat er mit Holster, Pistole und Ersatzmunition in einem
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