Rosentod: Thriller (German Edition)
persönlich zugewiesenen Fach im Waffenraum zu verwahren. Deshalb ist die Überprüfung der Bestände auch gar keine Hexerei. Man kontrolliert den Inhalt der Fächer und weiß Bescheid. Zucker?“
Ulla nickt.
„Dass das Fehlen der drei Ersatzhandschellen erst heute auffiel, geht auf meine Kappe“, seufzt der grauhaarige Dienststellenleiter. „Das Zeug sollte eigentlich in der Kiste bei der Ersatzmunition liegen. Dort ist es aber nicht.“
„Jeder hier kennt den Eingangscode?“, fragt Ulla.
„Alle 24 Beamten und die Reinigungskräfte“, bestätigt der Kommandant. „18011956. Mein Geburtsdatum.“
„Sehr schlau“, grinst die Chefinspektorin.
„Die zwei Putzfrauen sind bei einer in Bruck an der Mur ansässigen Reinigungsfirma beschäftigt“, sagt der Grauhaarige und nippt am Kaffee. So, wie er das Gesicht verzieht, scheint die Brühe ganz schön heiß zu sein. Vorsichtshalber gießt Ulla etwas kalte Milch dazu, ehe sie einen Schluck wagt. Super. Die Milch hat das Gesöff richtig trinkbar gemacht. Kluges Mädchen. Geht ja.
„Gegen die Reinigungsfirma läuft übrigens gerade ein Konkursverfahren.“
Ulla schreibt mit.
„Kekse?“ Blinzelnd schiebt ihr der Kollege einen randvoll gefüllten Teller zu. Sterne, Kringel, Lebkuchen und anderes Weihnachtsgebäck. Da ist den Herren wohl von den Festtagen noch etwas übrig geblieben. Achselzuckend probiert Ulla ein Vanillekipferl und notiert sich die Daten aller Polizisten und der beiden Putzfrauen, sowie die Adresse der Reinigungsfirma.
„Wann wurden die drei Paar Reservehandschellen im Waffenraum deponiert?“
„Vor der Eröffnung. Die fand am 2. Jänner statt. Seither wurde das Zeug nicht benötigt und deshalb auch nicht vermisst.“
„Und außer den Beamten und Putzfrauen hat niemand zum Waffenraum Zutritt? Garantiert nicht?“
Der Kommandant nickt. Hier kämen bloß betriebseigene Personen rein. Sonst niemand.
Das Verschwinden der Handschellen stehe im Zusammenhang mit einem Mordfall, erklärt Ulla kurz und bündig, ehe sie geht. Zwei ihrer Mitarbeiter würden die Angaben der Kollegen und Reinigungskräfte protokollieren. Sie ersuche den Kommandanten um bestmögliche Unterstützung.
Die Sache habe höchste Priorität.
Fünfzehn Uhr.
Ulla ist kalt, und in ihrem Kopf sitzt ein irrer Zwerg, der mit einem Riesenhammer um sich schlägt.
Missmutig diskutiert sie mit einem Computerexperten, der extra aus Graz angereist ist. Die Videosequenzen auf www.rosentod.com wurden offenbar mit einer Handycam aufgenommen, denn die Szenen sind manchmal minimal verwackelt. Die Aufnahmen auf der DVD, mit der die Ledersprungzeremonie dokumentiert wurde, weisen dieselben Merkmale auf. Wem die Homepage gehöre, sei nicht so einfach zu klären, sagt der Spezialist. Dazu benötige er schon noch ein paar Tage Zeit. Aschenbrenner jedenfalls besitze weder PC noch Laptop. Zumindest wurde in seiner Wohnung nichts dergleichen gefunden. Auch keine privat angefertigten DVDs.
Na eben, denkt sich Ulla. Aschenbrenner hat mit dieser Sache auch nichts zu tun. Der dreht doch keinen Ledersprungfilm. So etwas interessiert Studenten oder deren Angehörige. Maximal noch jemanden, der sich für eine bestimmte Studentin interessiert. Sie muss herausfinden, wer die Ledersprung-DVD produzierte. Und noch etwas fällt ihr ein.
Während sie ihren spontanen Einfall notiert, ruft der Journalbeamte an. Ein Autoschlüssel wurde für sie abgegeben. Passt, lächelt Ulla zufrieden und freut sich drauf, den Mazda gleich einmal auszutesten. Genaugenommen ist das ihr erster eigener, mit selbst verdientem Geld bezahlter Wagen. Der Golf, der vor drei Jahren seinen Geist aufgab, war ja Mamas altes Auto gewesen.
Eine halbe Stunde später sitzt sie mit zwei Damen des Universitätssekretariats bei einer Tasse Tee und erkundigt sich, ob ihnen die Existenz einer Ledersprung-DVD überhaupt bekannt sei. Bedauerndes Kopfschütteln.
Ulla überreicht ihnen eine Kopie und bittet sie, sich den Film anzusehen. „Rufen Sie mich an, falls Ihnen dabei etwas auffällt“, ersucht sie. „Eventuell weiß jemand aus dem Kreis der Studierenden, wer damals die Zeremonie filmte. Oder einer der Professoren. Gibt es eine Möglichkeit, das flächendeckend in der Uni abzufragen?“
Die beiden Damen sehen einander ratlos an.
Ein Fragebogen, der an jedermann verteilt wird, wäre vielleicht eine Möglichkeit, schlägt die Jüngere nach kurzem Nachsinnen vor. Unterstützend könne man die ausformulierte Fragenstellung ja auch
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