Rosenwahn
Nachforschungen über Gül anzustellen. Woher wusste sie das mit dem Lieferwagen? War der Rose darauf wirklich Bedeutung beizumessen?
»Was ist eigentlich mit dem toxikologischen Gutachten, das deine Freundin Ruckdäschl in Auftrag geben wollte?«, störte Niemann seine Überlegungen.
»Noch einmal für alle zum Mitschreiben: Die Ruckdäschl ist nicht meine Freundin. Langsam gehen mir eure olbernen Sprüche auf den Keks«, stellte Angermüller gereizt klar.
»Das Gutachten dauert, wenn’s schnell geht, immer noch zwei Wochen«, fuhr er dann in ruhigerem Ton fort. »Glaubst du denn, das würde uns weiterhelfen, wenn wir wissen, ob und wie sie vergiftet wurden?«
»Weiß nicht, vielleicht«, erklärte Niemann lahm und streckte ächzend seine Arme aus. »Ich würde jetzt auch ganz gern Feierabend machen. Schließlich ist Freitagabend und die ganzen Sesselpupser sitzen bestimmt schon beim dritten Bier. Wie sieht’s mit euch aus?«
Angermüller sah, dass Jansen unentschlossen mit den Schultern zuckte, und fand das erstaunlich, da er sonst immer gern früh in seine Freizeit startete, wenn sie nicht gerade mitten in der heißen Phase einer Ermittlung steckten. Er jedenfalls musste jetzt unbedingt bei Derya anrufen und ihr noch einmal schonend beibringen, dass sie die Finger von eigenen Nachforschungen nach ihrer Mitarbeiterin lassen sollte. Sie würde natürlich wissen wollen, warum, aber auch wenn sie das sehr schockieren würde, er musste ihr jetzt sagen, was sie über Selma herausgefunden hatten und dass Gül vielleicht tatsächlich in Gefahr war.
Thomas verabschiedete sich ins Wochenende, Claus Jansen kehrte noch einmal an seinen Schreibtisch zurück und Angermüller suchte im Internet Deryas Nummer heraus und rief bei ihr zu Hause an.
»Ja«, tönte es unwillig aus dem Hörer.
»Hallo, Koray, hier ist Georg.«
»Hi.«
»Sag mal, kannst du mir bitte kurz deine Mutter geben?«
»Nö.«
»Wieso? Ist sie nicht zu Hause?«
»Gut erkannt.«
Das war also der nette Junge, für den Derya ihren Sohn hielt.
»Wo ist sie denn? Kann ich sie irgendwie erreichen?«
»Auftrag ausliefern. Übers Handy.«
»Bist du dann vielleicht so freundlich und gibst mir ihre Nummer?«
Wie aus der Pistole geschossen rasselte Koray die Zahlen herunter.
»Moment, ich brauch erst mal was zum Schreiben!«
»Nein«, seufzte Angermüller nicht ganz ernst, als er aufgelegt hatte. »Die jungen Leute heutzutage! Da kommt unsereiner nicht mehr mit.«
Jansen nebenan brummte zustimmend.
»Sag mal«, Angermüller erhob sich und stellte sich vor dem Büro seines Kollegen in den Türrahmen, »was machst du eigentlich noch hier? Dich packt doch sonst immer schon Freitagnachmittag das Saturday Night Fever! Was ist los, Claus?«
Lustlos tippte Jansen auf seiner Computertastatur. »Ich bin zum Grillen eingeladen, mit Fassbier und selbst gefangenen Forellen«, murmelte er. »Vorher muss ich mich aber noch umziehen.«
»Das hört sich doch gut an. Es ist nach halb sieben, was machst du dann noch hier?«
Der Kollege druckste ein wenig herum. »Es ist bei Vanessas Eltern. Ich soll die Familie kennenlernen.«
Da lag der Hase im Pfeffer! Es musste schon fast ein halbes Jahr sein, dass diese Vanessa in Jansens Leben eine Rolle spielte. So eine dauerhafte Beziehung hatte es in der ganzen Zeit, in der er mit Jansen zusammenarbeitete, noch nie gegeben.
»Ach so, jetzt wird es richtig ernst, ja?«, fragte Angermüller nicht ohne Häme.
»Hör bloß auf!« Jansen stöhnte genervt und hackte noch energischer in die Tasten. Angermüller wollte gerade zu einer tröstenden Antwort ansetzen, da meldete sich das Handy auf seinem Schreibtisch.
»Hallo, Astrid, was gibt’s?«
»Wir haben gestern gar nicht über das Wochenende gesprochen. Was hast du für Pläne?« Diese Frage erstaunte Angermüller. Waren seine drei Damen nicht von Martin auf seinen Kahn eingeladen worden? »Pläne? Ehrlich gesagt war ich ziemlich beschäftigt. Da hab ich noch gar nicht drüber nachgedacht.«
»Julia und Judith haben nämlich gefragt, ob du heute Abend nicht nach Hause kommst.«
»Ich habe noch etwas zu erledigen und weiß noch nicht, wie spät es wird.«
»Dienstlich?«
»Ja, dienstlich«, antwortete er bestimmt. Er musste heute unbedingt noch mit Derya sprechen, weil er es für seine Pflicht als Polizist hielt, sie eindringlich davor zu warnen, eigenmächtig irgendwelche gefährlichen Unternehmungen zu starten. Und vielleicht wäre es ja noch überzeugender, das
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