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Rosenwahn

Titel: Rosenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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gutmachen.«
    »Und Ihre Eltern haben die Hochzeitspläne dann sofort aufgegeben?«, erkundigte sich Jansen mit offensichtlichem Zweifel in der Stimme.
    »Natürlich, was hätten sie denn sonst tun sollen?«, fragte Sibel gereizt zurück. Statt einer Antwort zuckte Jansen nur mit den Schultern.
    »Aber von diesem Tag an existierte Meral für meine Eltern nicht mehr.«
    »Deshalb kam die Vermisstenanzeige auch nicht von Ihrer Familie, sondern die Lehrerin und zwei Freundinnen meldeten Ihre Schwester als vermisst?«, wollte Angermüller wissen.
    »Das wird wohl so sein«, sagte die junge Frau ohne erkennbare Regung.
    »Kennen Sie die Leute, mit denen Meral damals zusammen war?«
    Sibel schüttelte nur den Kopf.
    »Und Sie, Sibel? Wie denken Sie über Ihre Schwester?«
    »Meine Mutter ist krank geworden durch sie. Und wissen Sie, wie es meinem Vater geht? Nachdem Meral von zu Hause abgehauen war, hat er sich nicht mehr unter die Leute getraut, hat Angst gehabt vor den Fragen seiner Kollegen und Freunde. Unser Onkel, der auch hier in Lübeck wohnt, hat ihm bittere Vorwürfe gemacht, warum er nicht besser auf seine Tochter aufgepasst hat. Alle haben schlecht über unsere Familie geredet!« Unter dem Skandal, den ihre Schwester in der türkischen Gemeinde ausgelöst hatte, litt Sibel offensichtlich immer noch. »Warum war Meral nur so verdammt egoistisch? Sie hat nur an sich selbst gedacht und überhaupt nicht an ihre Familie, was sie uns allen damit angetan hat. Erwarten Sie denn, dass ich jetzt um meine Schwester trauere?«
    »Ich weiß nicht«, meinte Angermüller und sah sie an. »Sie ist ja trotz allem Ihre Schwester.«
    »Meral hat großes Unglück über unsere Familie gebracht, unsere Mutter ist durch die Schande krank geworden, unseren Vater hab ich seitdem nie mehr lachen sehen. Vielleicht wird jetzt ja alles besser, wo endlich klar ist, dass sie nie wieder zurückkommt. Ich bin froh darüber.«

     
    »Puh«, machte Jansen, als sie aus der Haustür traten. »Dat is ja man ’n Düwel! Unglaublich, mit 19!«
    »Na ja, das Mädel hat es nicht leicht«, meinte Angermüller nachdenklich. »Sie scheint ja nicht dumm zu sein, lernt einen Beruf, bewegt sich mitten im deutschen Alltag. Andererseits lebt sie mit den Eltern in dieser düsteren Wohnung, möchte wahrscheinlich alles wieder ins Lot bringen, was Meral ihrer Meinung nach kaputt gemacht hat, muss sich um die kranke Mutter kümmern – du hast ja gesehen, in welchem Zustand die Frau ist.«
    »Natürlich! Vollgepumpt mit Tranquilizern. Und die Ärzte verschreiben ihr das Zeug bestimmt, ohne nachzudenken.«
    »Wahrscheinlich fühlt Sibel sich verantwortlich für ihre Eltern, nachdem Meral die so enttäuscht hat, will alles richtig machen und dabei auch noch stolz auf was sein. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie das Kopftuch aus Demut trägt.«
    Sie traten aus dem Schatten der Gassen auf die Straße an der Trave, wo sie den Wagen abgestellt hatten. Das plötzliche Sonnenlicht blendete und Angermüller empfand die Wärme direkt als wohltuend.
    »Und was denkst du, Claus? Hat die Familie was mit dem Tod von Meral zu tun?«
    »Irgendwie ist es schon komisch, dass weder Mutter noch Tochter Genaueres wissen wollten, wo wir die Schwester gefunden haben, was genau passiert ist und so.« Jansen hob ratlos die Schultern und sah Angermüller an. »Tscha, woran denkt ein Mensch mit gesunden Vorurteilen bei so einer Geschichte schon? Ehrenmord natürlich.«
    »Darauf haben die Kollegen damals natürlich auch getippt, weil die Familie so gar kein Interesse am Verbleib der Tochter zu haben schien. Aber es gab keine konkreten Anhaltspunkte, zumal es ja auch keine Leiche gab.«
    »Ist klar. Aber jetzt haben wir sie ja. Wir sollten also auf jeden Fall den Onkel besuchen, der hier in Lübeck wohnt, und zumindest nachprüfen, wann der Bruder in die Türkei gegangen ist, denn normalerweise sind Brüder ja für solche Fälle zuständig. Auch wenn er nur der Stiefbruder ist, wie ich in den Akten gesehen habe.«
    Bei der Suche nach den Menschen aus dem Umfeld der Toten stellte sich heraus, dass die Mitschülerinnen, die Meral als vermisst gemeldet hatten, zum Studium nach Berlin gezogen waren und nur an manchen Wochenenden und in den Semesterferien nach Lübeck zurückkamen. Auch bei zwei weiteren Freundinnen, die wie Meral aus türkischen Familien kamen, hatten Jansen und Angermüller kein Glück. Nur die Lehrerin, die mit den Mädchen damals zur Polizei gegangen war, trafen sie

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