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Rosenwahn

Titel: Rosenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Beamten aus Sibels dunklen Augen.
    »Sie sind volljährig, dann können Sie uns auch Auskunft geben. Können wir uns vielleicht in Ihre Küche setzen?«
    Die Geste, mit der Sibel Angermüllers Frage beantwortete und sie eintreten ließ, war nicht mehr hoheitsvoll zu nennen, sondern von unwilliger Arroganz. Da in dem engen Raum nur zwei am Tisch Platz hatten, blieb Angermüller, gegenüber von Sibel an die Spüle gelehnt, stehen. Genau wie im Wohnzimmer war es auch hier sehr ordentlich und aufgeräumt und wirkte fast unbewohnt.
    »Sie wohnen hier bei Ihren Eltern?«, eröffnete Angermüller das Gespräch.
    »Natürlich. Ich bin ja noch unverheiratet.«
    Sibel sah ihm gerade in die Augen, ohne je mit den Lidern zu schlagen, wie Angermüller schien, so als ob sie die Wirkung ihrer Worte ganz genau beobachten wollte. Die junge Frau wirkte ausgesprochen selbstbewusst auf ihn. Das Muster ihres Kopftuches war genau auf die Farben ihrer Bluse abgestimmt, die sie zur eng anliegenden schwarzen Hose trug. Der Kommissar musste an die hochhackigen Schuhe denken, die ihm im Flur neben der Eingangstür aufgefallen waren. Das eng gebundene Tuch, unter dem sich das aufgetürmte Haar verbarg, hatte eher den Anschein eines modischen Accessoires denn einer traditionellen Kopfbedeckung. Sibel schien sich der optischen Wirkung ihres Äußeren auch vollkommen bewusst.
    »Was machen Sie beruflich?«
    »Ich mache eine Ausbildung zur Steuerfachgehilfin«, antwortete Sibel knapp, schüttelte dann ärgerlich den Kopf und fragte aufgebracht: »Wozu wollen Sie mir eigentlich noch Fragen wegen Meral stellen? Das haben Sie bestimmt alles in Ihren Akten. Ihre Kollegen haben damals doch stundenlang mit meinen Eltern geredet!«
    »Sie erlauben, dass wir entscheiden, wem wir wann welche Fragen stellen, ja?«, entgegnete Angermüller mit einem freundlichen Lächeln, worauf Sibel nur genervt ihren Blick wegdrehte. »Schön, dass wir uns einig sind. In unseren Unterlagen steht, Meral hatte Probleme mit dem Elternhaus. Können Sie sich an die Zeit erinnern, als Ihre Schwester vor drei Jahren verschwunden ist?«
    »Allerdings.«
    »Erzählen Sie bitte: Was hat Ihre Schwester damals gemacht, was für Leute kannte sie?«
    »Meral ging aufs Gymnasium. Sie war in der 12. Klasse, sie wollte studieren, hatte große Ideen. Anwältin wollte sie werden.«
    »Wie fanden das Ihre Eltern?«
    »Die haben gedacht, sie hat halt Flausen im Kopf und das verliert sich wieder, wenn sie erst einmal verheiratet wäre.«
    »Hatte Meral denn schon Heiratspläne? Mit 18?«, fragte Angermüller erstaunt.
    »Schon als Kind war sie Burak, unserem Cousin, versprochen worden.«
    »Wohnt der auch hier in Lübeck?«
    »Nein, er lebt in der Türkei, in dem Ort, aus dem unsere Eltern stammen. Aber Meral und Burak kannten sich schon seit der Kindheit, wir waren ja oft in den Ferien da gewesen. Ich glaube, sie hätten wirklich gut zusammengepasst.«
    »Und Meral hat auch so gedacht?«
    Wieder schoss ein unmutiger Blick aus Sibels Augen zwischen Angermüller und Jansen hin und her.
    »Meral hat überhaupt nicht gedacht, glaube ich. Sie hatte angefangen, sich zu verändern, wollte nicht mehr auf die Eltern hören, wollte sein wie ihre deutschen Klassenkameradinnen. Ständig gab es Ärger bei uns wegen ihr. Es kam heraus, dass sie einen deutschen Freund hatte.«
    »Wie haben Ihre Eltern reagiert?«
    »Sie haben alles versucht, sie zur Vernunft zu bringen, aber mit Meral war einfach nicht zu reden.«
    »Ihre Eltern wollten, dass sie die Beziehung zu dem deutschen Jungen beendet?«
    »Diese sogenannte Beziehung war längst schon wieder vorbei. Aber Meral schwor trotzdem, dass sie Burak niemals heiraten würde.«
    »Und Ihr Vater und Ihre Mutter?«
    »Die haben gebittet und gebettelt, ihnen das nicht anzutun, aber meine Schwester war knallhart und hat gedroht, einfach zu gehen.« Die junge Frau hielt einen Moment inne und schien ganz in ihrer Erinnerung gefangen. »Ein paar Wochen später, kurz nach ihrem 18. Geburtstag, ist sie tatsächlich gegangen. Als mein Bruder herausbekam, dass sie bei ihrer Freundin untergekommen war, ist sie von dort verschwunden. Aber alle zwei Tage hat sie mich angerufen und gefragt, wie es den Eltern geht, und ich sollte ihnen sagen, sie würde gut klar kommen und sie bräuchten sich keine Sorgen machen. Außerdem täte es ihr natürlich leid, aber sie hätte nicht anders handeln können. Hat wohl geglaubt, mit diesen Anrufen könnte sie irgendwas wieder

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