Rosenwahn
einfach, als Deutsche mit italienischer Küche klarzukommen – jedenfalls, wenn man vom Kochen keine Ahnung hatte. Dann fuhr Derya schnell nach Hause, beseitigte in ihrer Küche die Spuren des Arbeitstages, nahm ein erfrischendes Bad und machte sich ans Haarefärben. Sie konnte die blonde Farbe auf ihrem Kopf nicht mehr sehen und hatte jetzt Lust auf den warmen Glanz von Kupfer – so verhieß es jedenfalls die Aufschrift auf der Packung mit dem Färbemittel.
Kaum war Derya wieder gegangen, war Georg sich überhaupt nicht mehr sicher, ob es richtig gewesen war, ihre Einladung zu einem Picknick am Samstagmorgen anzunehmen. Er wusste gar nicht, ob er wirklich Lust dazu hatte, mit fremden Leuten auf einer Wiese herumzusitzen und Smalltalk zu machen. Nun ja, wenigstens die Verpflegung würde in Ordnung sein. Darauf war bei seiner Nachbarin auf jeden Fall Verlass. Wahrscheinlich hatte ihn der Gedanke an Astrids Segelpartie mit Martin am morgigen Tag dazu bewogen, so spontan für dieses Picknick zuzusagen, dachte Georg selbstkritisch. Außerdem war er an diesem Freitagabend ohnehin nicht ganz bei sich gewesen.
Nach dem Anruf von Merals Tante hatte sich der Nachmittag im Kommissariat wie Kaugummi hingezogen. Der Durchsuchungsbeschluss für das Haus bei Eutin würde wohl frühestens Montag eintreffen. Vom Staatsschutz lagen keine Erkenntnisse über eine Verbindung Volkan Durguts zu islamistischen Kreisen vor. Angermüller war die Protokolle in der Akte Meral Durgut von vor drei Jahren noch einmal durchgegangen, hatte mit Thomas Niemann alle Fakten diskutiert und gemeinsam waren sie nur zu dem frustrierenden Ergebnis gekommen, dass ihre bisherigen Erkenntnisse mehr als dürftig waren.
Auch nach Feierabend hatte ihn das Thema nicht losgelassen. Das Mädchen hatte seine Familie wegen nicht zu überwindender Probleme verlassen und ihr damit nach deren Meinung großen Schaden zugefügt: Meral hatte die Familie bei Verwandtschaft, Freunden und Nachbarn durch ihr Verhalten in Verruf gebracht. Und nachdem die Lehrerin wie auch die Schulfreundinnen der Polizei die familiären Schwierigkeiten Merals geschildert hatten, waren damals wie heute die Ermittlungen auf das familiäre Umfeld des Mädchens beschränkt worden. Was Merals Tante bei ihrem Telefonat über die Familie erzählt hatte, bestätigte mehr oder weniger diese Tendenz. Mehr oder weniger.
Je länger Georg darüber nachgedacht hatte, desto klarer war ihm geworden, dass sie unbedingt auch in andere Richtungen denken mussten. Immerhin stand ja noch die kriminaltechnische Untersuchung des Hauses am Fundort bei Eutin aus. Vielleicht würden sie dort ja auf Indizien treffen, die weiterführten. Aber wo sonst gab es noch einen Ansatz? Sie mussten einfach mehr über Merals letzte Lebenszeit erfahren. Und sie sollten auf jeden Fall noch einmal mit dem Jungen reden, von dem Meral sich damals so schnell getrennt hatte. Gerade so ein Schüchterner konnte sehr verletzt reagieren. Was, wenn er sich von ihr zurückgesetzt fühlte, zutiefst verletzt war? Auch das konnte ein Motiv sein. Männer waren aus gekränkter Eitelkeit zu allem Möglichen fähig. Bei dieser Erkenntnis war Angermüller dann wieder bei sich selbst und seiner Annahme von Deryas Einladung zum Picknick gelandet und hatte sich gefragt, ob er wohl noch die Möglichkeit für einen Rückzieher hatte. Aber dann hatte er sich nicht entscheiden können und sich vorgenommen, im Zweifelsfall einen überraschenden dienstlichen Termin vorzuschieben. Bei einem Kripobeamten war das ja durchaus glaubhaft und eine Absage auch in letzter Minute noch möglich.
Kapitel IV
Sonnenschein und Vogelzwitschern weckten Georg am Samstagmorgen. Mit einem Mal erschien ihm die Aussicht auf einen Tag draußen auf dem Lande gar nicht mehr so abwegig. Vielleicht war es ja gar nicht schlecht, neue Leute kennenzulernen, vielleicht waren auch ein paar türkischstämmige Lübecker darunter und wer weiß, vielleicht konnte es sogar für seine Arbeit am Fall Meral Durgut nützlich sein. Und so stand er nun mit einer Flasche Prosecco im Flur des Nachbarhauses und klingelte im Parterre neben dem Schild ›Derin, Deryas Köstlichkeiten – Catering‹. Als niemand kam, schaute er auf die Uhr. Kurz nach zehn, er war nicht zu früh. Nachdem er ein zweites Mal geklingelt hatte, hörte er drinnen jemanden rufen, und einen Augenblick später näherten sich Schritte der Tür.
»Ja, Mann«, brummte der Typ gereizt, der ihm die Tür
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