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Rosenwahn

Titel: Rosenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Schubladen stecken. Nie würden diese gefühllosen Ignoranten verstehen, was er getan hatte und warum. Sie, die glaubten, alles sei machbar und möglich, der Mensch, sein Körper, seine Seele nur ein Fall für die Reparaturwerkstatt, wie ein Auto. Nein, er empfand wirklich nichts als Verachtung für diese Leute.
    Aufmerksam las er den kurzen Artikel, in dem nichts weiter stand, als dass der ›womöglich abartig veranlagte Täter seine Opfer immer unter einem Rosenbusch begrub‹ und die bange Frage, ›ob ihm wohl noch andere junge Frauen in die Hände gefallen sind, die er zu seinen Rosenmädchen gemacht hatte‹. Also wussten sie nach wie vor nichts. Er musste sich einfach weiter ruhig und unauffällig verhalten wie bisher, und wenn es trotzdem anders kommen würde, dann war eben auch das Schicksal, sein Karma. Und seinem Schicksal konnte man nicht entkommen.
    Es hatte ihn schließlich auch mit Fatma zusammengeführt. Irgendwann hatte es begonnen, dass er nach einer Wiederholung dieses Erlebnisses dürstete, nach dem Rausch aus Blüten, Gefühlen, Schönheit, Reinheit. Noch einmal in diesen Taumel verfallen zu dürfen, wurde zu einem übermächtigen Wunsch, der sein ganzes Denken und Fühlen beherrschte. Niemand, der es nicht selbst erlebt hatte, konnte nachvollziehen, wie ihn die Sehnsucht nach jenem unerreichbaren Traumbild schmerzte. Der Gedanke an die vollkommene Gewissheit, die er empfunden hatte, der Einzige gewesen zu sein, der diesem Menschen die endgültige Befreiung hatte schenken können – er war zu köstlich, zu einzigartig. Und als er schon glaubte, daran zu irre zu werden, stand plötzlich Fatma vor ihm. Ebenso schön wie Meral, aber noch viel schüchterner, unschuldiger, reiner, unglücklicher. Und wieder hatte das Mädchen ihm grenzenlos vertraut! Er hatte sie an der Hand genommen und auf den Weg zur Erlösung von ihrem alles erdrückenden Kummer geführt.
    Peinlich genau hatte er darauf geachtet, alles wieder genauso zu machen wie beim ersten Mal, doch der unbeschreibliche Zauber, die überirdische Ekstase von damals wollte sich nicht wieder einstellen, wo er doch so hungerte nach diesem perfekten Moment. Jede Rose, die er erblickte – und die herrlichen Blumen waren zu dieser Jahreszeit mehr als zahlreich – rief eine unstillbare Sehnsucht in ihm wach. Das hatte ihn traurig gemacht. Die Trauer, die er überwunden zu haben glaubte, hatte sich wieder eingestellt, hatte seine Tage überzogen wie lähmender Mehltau. Nur Merals Bild, das er tief in seinem Herzen trug, spendete ihm zuweilen ein wenig Trost.

     
    »Was will der Mann hier?«Thomas Niemann steckte den Kopf aus der Tür seines Büros und sah erstaunt dem Besucher hinterher, der laut und aufgebracht verlangt hatte, mit Kommissar Angermüller zu sprechen, und nun den Korridor entlang stürmte.
    »Was der will, weiß ich nicht. Er ist der Onkel von Meral Durgut«, erklärte Jansen im Vorbeigehen und beeilte sich, dem Mann in Angermüllers Dienstzimmer zu folgen. Der Kriminalhauptkommissar war schon von der Anmeldung über seinen Besuch informiert worden und nahm ihn freundlich in Empfang. Doch der schien ihn gar nicht wahrzunehmen.
    »Hier«, sagte Volkan Durgut und knallte eine Zeitung auf den Tisch. Es war dieses Boulevardblatt, das riesengroß mit den Fotos der beiden toten Mädchen aufgemacht hatte. ›Wer ist das nächste Rosenmädchen?‹ fragten anklagend die fetten Lettern der Überschrift. »Was hat das zu bedeuten?«
    »Guten Morgen. Setzen Sie sich doch erst einmal, Herr Durgut«, versuchte Angermüller es in beruhigendem Tonfall, doch der aufgeregte Türke blieb stehen.
    »Ihr werft uns immer vor, unsere Frauen und Mädchen hätten keine Freiheit. Und was ist das? Ist das Freiheit? Wie kann so was passieren?« Er gestikulierte wild mit beiden Händen. »Da geht so ein verrückter Hurensohn rum und sticht unsere Mädchen ab! Und die deutsche Polizei schaut zu! Wann tun Sie endlich was dagegen?«
    Als Angermüller ruhig und vernünftig etwas entgegnen wollte, ließ Durgut ihn nicht zu Wort kommen. »Sie müssen endlich dieses kranke Schwein finden! Wir haben Angst um unsere Mädchen, verstehen Sie! Und eins sag ich Ihnen, von meinen Landsleuten war das keiner!«
    »Ruhe!«, brüllte Angermüller plötzlich und haute mit der Hand auf den Tisch. In unmissverständlichem Ton, aber etwas ruhiger, fuhr er fort: »Setzen Sie sich und seien Sie erst einmal ruhig. Dann können wir auch miteinander reden, sonst lass ich Sie hier

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