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Rosenwahn

Titel: Rosenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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ihrer Pizza herum und sahen aufmerksam von einem zum anderen. Auch Martin säbelte mit Inbrunst an dem riesigen Teigfladen auf seinem Teller und schob sich ein großes Stück davon in den Mund.
    »So Kinder, was könnt ihr denn empfehlen?«, fragte Angermüller etwas zu aufgekratzt und griff nach der riesigen Speisekarte, die ein junger Kellner mit gelglänzenden schwarzen Locken und blasiertem Gesichtsausdruck auf den Tisch gelegt hatte. Das in Kunstleder gebundene, schwere Teil fühlte sich klebrig an und hatte an die 20 Seiten, wie Angermüller mutmaßte.
    »Die Spezialität hier sind die Pizzen, und die sind eigentlich alle gut«, meinte Martin. »Aber die haben hier auch Nudeln und Schnitzel, was du willst.«
    Es gab eine schier unendliche Auswahl an Pizza-Variationen mit zum Teil abenteuerlichen Kompositionen: mit Rührei, Krabben und Bratkartoffeln, mit Putenstreifen, Ananas und Currysauce, mit Würstchen und Pommes, serviert mit extra Ketchup. Angermüller sah auf die Teller der anderen, wo ein suppiger Belag den nicht gerade knusprig wirkenden Teigboden aufweichte, sodass die abgeschnittenen Pizzastücke lappig von der Gabel hingen. Bei diesem Anblick verminderte sich augenblicklich sein Hungergefühl. Er bestellte nur eine Portion Parmaschinken mit Melone, die ihm der Kellner alsbald in einer weit ausholenden Armbewegung servierte. Mit wichtiger Miene stellte er ihm dann ebenso elegant eine über einen halben Meter hohe Pfeffermühle auf den Tisch, die vor allem Julia und Judith schwer beeindruckte. Der Parmaschinken schmeckte nach Pappe und die Melone nach Gurke, da sie noch lange nicht reif war. Daran konnte auch eine ordentliche Prise Pfeffer aus der albernen Mühle nichts verbessern. Nach ein paar Bissen schob Angermüller den Teller weg. Die Kalorien konnte er sich sparen.
    »Hat es Ihnen nicht geschmeckt?«, fragte der ölige junge Mann beim Abräumen der kaum angerührten Portion.
    »Es hat nicht geschmeckt«, antwortete Angermüller wahrheitsgemäß, worauf sich der Mann achselzuckend zurückzog. Wahrscheinlich gab es in dieser ganzen Pizzeria keinen einzigen Italiener, dachte Angermüller, und von echtem italienischem Essen hatte die gesamte Küchenmannschaft eh keine Ahnung. Um was für einen Wein es sich bei dem Tropfen in seinem Glas handelte, konnte Georg auch beim besten Willen nicht feststellen. Ein echter Barbera, als der er in der Karte angepriesen wurde, war dieses dünne, sauer schmeckende Zeug ganz bestimmt nicht.
    Auch sonst verlief der Abend eher freudlos. Nur Martin war wie immer bester Laune und fühlte sich verpflichtet, den Unterhalter zu spielen. Astrid sagte nicht viel, lachte nicht einmal wie sonst über Martins Späße, und die Kinder langweilten sich nach dem Essen. Ganz nebenbei erfuhr Georg von Julia und Judith, dass sie am Wochenende auf Martins Schiff einen Schnupperkurs im Segeln absolvieren würden. Wenn es ihnen gefiele, sollten sie in der Jugendgruppe seines Vereins auch den Segelschein machen. Astrid, die gewöhnlich jedes Detail im Umgang mit den Kindern abstimmen wollte, hatte ihm bisher von diesem Projekt kein Wort gesagt. Auch wenn er selbst, nicht zuletzt weil ihm an Bord regelmäßig übel wurde, dem Segelsport überhaupt nichts abgewinnen konnte, hatte er nichts dagegen, wenn Julia und Judith Lust darauf hatten. Doch er fand es schon bezeichnend für das veränderte Klima zwischen ihm und Astrid, dass er nicht in diese Pläne einbezogen worden war.
    In vielerlei Hinsicht war es ein verlorener Abend, nur nicht in einer: Georg Angermüller erkannte plötzlich gestochen scharf, was ging und was nicht ging, was er wollte und was er nicht wollte oder besser, er ließ diese Erkenntnis zu. So schmerzhaft sie auch sein mochte und so schwerwiegend die daraus sich ergebenden Konsequenzen, auf der anderen Seite fühlte er eine beglückende Erleichterung. Dieses Gefühl verließ ihn auch nicht, als er sich wenig später vor Steffens Villa von seiner Familie verabschiedete und bald darauf mit einem wunderbaren Barolo aus den edlen Weinvorräten des Freundes im Wohnzimmer saß und sich von Giuseppe Verdis Klängen verzaubern ließ.
     

     

     

     

Kapitel X
    War so jung und morgenschön … Nachdem gestern die Fotos erschienen waren, wartete er auch heute voller Ungeduld auf die Zeitung. Als ihm auf der Titelseite das Wort ›Rosenmörder‹ ins Auge sprang, spürte er eine unglaubliche Wut und Verachtung. Er hätte es wissen müssen. Alles mussten sie etikettieren, in

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