Rosenwahn
»Da sind ja auch Männer dabei. Ich dachte, hier wären nur Frauen tätig«, sagte er erstaunt.
»Im Prinzip ham Se recht«, bestätigte die Sozialarbeiterin. »Aber inzwischen kommen manchmal auch Jungs vorbei, die irgendein Mädchen aus Anatolien heiraten sollen und Probleme mit ihrer Familie kriegen, wenn sie sich weigern. Ick persönlich finde dit ja nich so jut, aber die gehen halt einfach lieber zu einem Mann.«
»Gut, dann war’s das fürs Erste. Vielen Dank, Frau Paulmann.«
»Schon jut«, brummte sie nur, konzentrierte sich wieder auf ihren Bildschirm und ließ ihre Besucher ohne Abschied ziehen.
Nachdem sich die beiden Kommissare noch ihr Mittagessen besorgt hatten – Angermüller etwas vom Thai-Imbiss, Jansen Bockwurst und Pommes –, kehrten sie zurück ins Büro. Angermüller ließ sich das Hühnchen mit exotischem Thai-Basilikum und zart aromatischem Duftreis an seinem Schreibtisch schmecken. Er versuchte zumindest, seine Mahlzeit zu genießen. Ab und zu zog aus Jansens Büro das aufdringliche Aroma von Bockwurst, Frittierfett und Ketchup herüber; dann störte auch noch der aufgebrachte Kriminaldirektor am Telefon und wollte wissen, welcher bekloppte Dösbaddel dem verdammten Zeitungsvolk die Einzelheiten für die Rosenmord-Schlagzeilen geliefert hatte. Als Angermüller ihn endlich etwas besänftigt und mit seiner Beschwerde an die Pressestelle verwiesen hatte, war sein restliches Essen kalt.
Zusammen mit Niemann und Jansen widmete er sich anschließend der Liste mit den Mitarbeitern und Ehrenamtlichen des Krisenzentrums. Es gab niemanden darunter, der bereits einmal polizeilich erfasst worden wäre. Die weiteren Recherchen ergaben, dass der eine männliche Mitarbeiter türkischer Herkunft war und als Familientherapeut tätig, und der andere als Buchhändler arbeitete und gleichzeitig noch in zwei Schwulenorganisationen engagiert war.
»Schade. Leo Panknin steht leider nicht auf der Liste.«
»Das meinst du jetzt nicht ernst, Claus?«, fragte Angermüller verwundert. »Der Thronfolger aus der Roeckstraße und soziales Engagement in diesem Zentrum?«
»Immerhin will er Arzt werden«, meinte Jansen achselzuckend.
Niemann lachte spöttisch. »Du hast Illusionen.«
»Und außerdem«, Jansen sah seine Kollegen mit einem überlegenen Lächeln an. »Von wegen, er kennt überhaupt keine Türken mehr!«
»Was willst du damit sagen?«
»Och, ich hab so nebenbei ein bisschen recherchiert, mal geschaut, was der Junge so nach Feierabend macht.«
»Nach Feierabend! Hört, hört!«, kommentierte Niemann.
»Ja und?«, fragte Angermüller ungeduldig.
»Er hat eine türkische Freundin.«
»Ist nicht wahr!« Angermüller haute mit der Hand auf den Tisch.
»Doch. Er hat sich mit ihr gestern Abend im Drägerpark getroffen. Dann sind sie zusammen ins Kino gegangen. Ich hab mir gleich gedacht, dass es eine Türkin ist. Dunkle Augen, schwarze Haare und so. Sie arbeitet als Krankenschwester in der Klinik, wo Leo Panknin sein Praktikum macht.«
»Warst du deshalb vorhin unterwegs?«
»Ja, ich hab mir noch ihre Personalien in der Klinik besorgt«, Jansen sah auf seine Notizen. »Idil Durmaz, 20 Jahre alt, macht die Ausbildung zur Krankenschwester. Sie wohnt in Moisling.«
»Mensch, Claus«, der Kriminalhauptkommissar nickte anerkennend. »Kannst dich ja richtig verbeißen!«
Auch Thomas Niemann klopfte ihm auf die Schulter. Jansen lächelte still in sich hinein.
»Dann müssen wir den jungen Mann ja gleich noch mal aufsuchen.«
»Das muss leider warten«, sagte Jansen, und die Enttäuschung war ihm anzumerken. »Leo Panknin ist für ein verlängertes Wochenende verreist.«
»Etwa mit dem Mädchen?«
»Nein. Mit Mama und Papa ins Grand Hotel Heiligendamm, zu einem Reitturnier.«
»Was, Leo reitet Turniere?«
»Nein, seine Mama.«
»Ach so, ja. Das passt«, meinte Angermüller. »Aber sag mal, woher weißt du das alles?«
»Erinnerst du dich, vorgestern in der Geriatrie, die nette Stationsschwester? Die wusste das alles ganz genau und hat es mir vorhin haarklein erzählt.«
»Na, wenn Herr Professor und Frau Doktor wüssten, dass ihr Herr Sohn wieder mit einer Türkin …«
»Was meinst du, Georg: Müssen wir da was unternehmen und den jungen Mann gleich zurückholen lassen?«
»Nun bleib mal auf dem Boden, Claus. Der hat zwar gelogen, der Leo Panknin, aber ich kann mir schon denken, vor wem der Junge eine Heidenangst hat. Und nur, dass er eine türkische Freundin hat, reicht nicht als Grund für
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