Rosenwahn
eine Festnahme. Der ist bestimmt Montag wieder da. Dann werden wir ihn uns noch einmal vornehmen.«
»Wenn du meinst«, reagierte Jansen ein wenig verschnupft.
»Ansonsten wird uns nächste Woche nichts anderes übrig bleiben, als mit allen Leuten aus dem Krisenzentrum zu sprechen, ob sie irgendwas gehört oder gesehen haben, denn bis jetzt ist diese Beratungsstelle immer noch unser einziger Anhaltspunkt, wo sich beide Fälle kreuzen«, stellte Angermüller wenig begeistert fest.
»Mensch, da fällt mir noch was anderes ein«, sagte er plötzlich langsam. »Thomas, kannst du bitte noch einmal bei INPOL beziehungsweise in der Vermi/Utot-Datei forschen?«
Und er erklärte dem Kollegen sein Anliegen.
»Würde mich doch jetzt interessieren, ob die nicht auch dort gewesen ist …«, endete Angermüller nachdenklich. Er schrieb einen Namen auf einen Zettel.
»Ich weiß zwar nicht, wovon du sprichst«, meinte Niemann, »aber mach ich doch gern.« Er nahm die Notiz, stand auf und zog sich in sein eigenes Büro zurück.
Den ganzen Vormittag hatte Derya in ihrer Küche für das bestellte Büffet gewirbelt. Zwischendurch kontrollierte sie immer wieder mit einem Blick auf die Uhr, ob sie gut in der Zeit lag, und war mit dem bereits geschafften Pensum ganz zufrieden. Draußen schien nach dem grauen Regentag ab und zu schon wieder die Sonne. Im Grunde konnte ihr das Wetter heute ziemlich egal sein, denn sie war wahrscheinlich noch eine ganze Weile mit Kochen und Backen beschäftigt, doch ein dunkler Tag wie gestern legte sich bei ihr immer schnell aufs Gemüt.
Das Rezept für die syrischen Fleischbällchen mit Boulgur war ziemlich aufwendig. Doch Derya wusste, nichts war so wichtig wie systematisches Vorgehen beim Kochen. Sie suchte also erst einmal sämtliche Zutaten zusammen und stellte sie bereit. Was davon der Vorbereitung bedurfte, wurde entsprechend gehackt, gemahlen, eingeweicht, sodass danach nur noch alles zusammengemischt und gewürzt werden musste. Zum Schluss formte sie aus dem Boulgurteig kleine eiförmige Klößchen, gab die Füllung mit Lammfleisch, Zwiebeln, Pinienkernen und Walnüssen hinein und frittierte sie schließlich in heißem Öl. Vorsichtig kostete sie ein Exemplar und war mit seinem nussigen Geschmack, über den sich die Schärfe des Chilis, das kräftige Kreuzkümmelaroma und ein Hauch Zimt legte, sehr zufrieden.
Mit der verlässlichen Präzision eines Uhrwerks arbeitete sie so einen Punkt nach dem anderen von der langen Liste ab und stellte kurz nach Mittag erfreut fest, dass nur noch die Crostini, eine Aioli und das Ke ş kül -Dessert zu machen waren. Gerade hatte Derya sich eine Pause zugestehen wollen, da meldete sich Hülya bei ihr. Sie wirkte ein wenig aufgeregt.
»Ich sitze hier im Café mit Suna und Elif, und die haben mir eben was über Gül erzählt. Die denken, dass sie wahrscheinlich einen Freund hat. Ich fand das ziemlich interessant und dachte, das könnte bestimmt auch für dich wichtig sein. Deshalb wollte ich fragen, ob du vielleicht gleich einmal vorbeikommen willst. Aber wenn du jetzt keine Zeit hast, könnte ich auch …«
Derya ließ die junge Frau nicht ausreden. »Wo seid ihr?«, fragte sie nur schnell.
»Wo wir meistens sind, im ›Affenbrot‹.«
»Ich bin in zehn Minuten da.«
Es war ziemlich windig. In schneller Folge wechselten sich Sonne und Wolken ab. Derya schwang sich auf ihr Fahrrad. Zum Draußensitzen war es zu frisch, und so entdeckte sie die drei Mädchen in der vorderen linken Ecke des Cafés unter dem gläsernen Dach. Sie und Hülya umarmten sich, die beiden anderen nickten ihr mit einem Lächeln zu, heute ohne ihre Sonnenbrillen. Hülya stellte ihre Freundinnen noch einmal vor. Elif mit der langen, dunklen Mähne und Suna, die ihr Haar, das wieder unter dem eng geknüpften, schwarzrot gemusterten Türban verborgen war, aufgesteckt hatte, was sehr schick aussah. Trotz der wenig sommerlichen Temperaturen zeigten die zwei auch heute wieder ziemlich viel Haut. Die Kellnerin kam an ihren Tisch, Derya orderte einen Milchkaffee.
»Hast du schon gesehen, was heute in der Zeitung steht?«, fragte Hülya und hielt Derya das Titelblatt der Lübecker Zeitung entgegen. Derya schüttelte den Kopf und las schnell die Zeilen des mit ›Rosenmörder‹ überschriebenen Artikels. Seufzend legte sie das Blatt zur Seite und sah Elif und Suna an.
»Seitdem ich von dieser Geschichte hier weiß, mache ich mir natürlich noch mehr Sorgen um Gül.«
»Ja, das kann
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