Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
verfiel in brütendes Schweigen.
»Frau Ruff war zuerst ganz betroffen«, erklärte die Kollegin von der Rückbank aus. »Aber dann klang sie eher wütend. Zum einen hat sie wohl das Gefühl, dass ihr Mann sie – falls er jetzt wirklich tot sein sollte – mit dem Hof im Stich lässt. Und zum anderen weiß sie seit einiger Zeit von Ruffs Verhältnis mit Kerstin Wontarra, und sie scheint ihre Rivalin richtig zu hassen.«
»Nicht gut«, brummte Haffmeyer.
»Nein, gar nicht. Jedenfalls hat sie auf unsere Fragen, was in letzter Zeit an Ruff anders war oder ob er Neider oder Feinde gehabt habe, nichts geantwortet, was uns weiterhilft. Der Hof steht wohl finanziell nicht gut da, und dieser Deckhengst scheint die letzte Chance zu sein, das Anwesen noch zu retten.«
»So hat es mir Klemens Pröbstl auch geschildert.«
»Dieser Knecht? Der heißt Pröbstl?«
»Ja, das ist ein Neffe von unserem Zeugen, und er mag seinen Onkel nicht, der säuft ihm zu viel. Aber er hält große Stücke auf seine Chefin – ich glaube, der ist sogar ein bisschen in Marlene Ruff verliebt.« Haffmeyer grinste.
»Fahren Sie mal bitte rechts ran?«, sagte Hansen kurz nach der Lechbrücke. Haffmeyer steuerte an den Fahrbahnrand. »Ich muss mal ein paar Schritte gehen, könnten Sie kurz warten?«
»Klar, Chef, machen wir.«
»Danke. Ich muss jetzt erst einmal das Gespräch mit Ruffs Frau verdauen, bevor wir seine Geliebte befragen. Fünf Minuten, länger werde ich nicht brauchen.«
Haffmeyer und Fischer sahen ihrem Chef nach, wie er langsam über die Wiese bergab ging und schließlich stehen blieb, die Hände in die Hosentaschen stopfte und über den Fluss hinweg auf Lechbruck schaute.
»Den mag ich, Willy«, sagte Hanna Fischer nach einer Weile.
Haffmeyer nickte nur und steckte sich einen Kaugummi in den Mund.
Endlich war Klemens Pröbstl fertig mit den Pferden. Er beschloss, Marlene um einen Kaffee zu bitten. Sie machte den besten, den er kannte, aber eigentlich diente er ihm meistens nur als Vorwand, um sich in Ruhe mit ihr zu unterhalten.
Als er auf das Wohnhaus zuging, sah er Marlene in der Küche stehen. Sie hantierte leicht vornübergebeugt mit Messer und Schneidebrett, hackte irgendwelche Kräuter klein und sah in seinen Augen sehr schön aus, wie sie so konzentriert vor sich auf die Arbeitsplatte schaute.
Ein Lächeln glitt über sein Gesicht, und er genoss den Anblick schweigend. Da ging plötzlich sein Handy. Das laute Klingeln ließ auch Marlene aufhorchen, die zu ihm herübersah und ihn mit einem fragenden Blick musterte. Er winkte ihr kurz zu, dann nahm er das Gespräch entgegen, wandte sich ab und ging zurück hinter den Stall.
Die Nummer des Anrufers war unterdrückt, jemand zischte einige Drohungen, und Klemens Pröbstl stand wie erstarrt. Er verstand nicht jedes Wort, wahrscheinlich weil der Anrufer flüsterte – aber dass es mit Thomas Ruffs Verschwinden zu tun hatte und dass ihm mit ernsten Konsequenzen gedroht wurde, wenn er irgendetwas von etwaigen Beobachtungen rund um Salvatore oder auch nur von diesem Telefonat erzählen würde, das verstand er laut und deutlich.
Dann hörte das Zischen auf.
»Hallo?« Er horchte, aber am anderen Ende blieb es still. Er ließ das Handy langsam sinken und starrte mit leerem Blick durch das Tor ins schattige Stallinnere.
»Um Himmels willen«, murmelte er.
Gleich nach dem Klingeln öffnete sich die Haustür. Kerstin Wontarra hatte die drei Kripobeamten offenbar schon gesehen, als der Wagen vorfuhr. Nun blickte sie Hansen an, diesmal kein bisschen frech, sondern eher ängstlich, und als er eine betrübte Miene machte, sank sie ein wenig in sich zusammen.
»Kommen Sie mit«, sagte sie leise und ging ins Wohnzimmer. Die drei Beamten folgten ihr.
»Ist Thomas wieder aufgetaucht?«, erkundigte sie sich besorgt, als alle Platz genommen hatten.
»Nein, bisher noch nicht. Seine Frau hat ihn seit Donnerstagmittag nicht mehr gesehen und Sie seit Donnerstagnachmittag – richtig?«
»Richtig.«
»Leider müssen wir annehmen, dass ihm etwas zugestoßen ist. Wir haben Hinweise darauf gefunden, dass er auf dem Heimweg von Ihnen von der Lechbrücke gestürzt ist.«
»Hat ihn ein Auto erfasst? Wahrscheinlich ist er wie immer auf der linken Seite der Brücke gegangen, dort gibt es ja keinen richtigen Gehweg.«
Hansen schüttelte den Kopf.
»Dann versteh ich das nicht. Wir haben zum Schluss noch ein Glas Wein getrunken, aber Thomas war nüchtern. Der fällt doch nicht einfach so
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