Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
zufrieden.
»Außerdem«, fügte Hansen mit gesenkter Stimme hinzu, »habe ich absolut keinen Bock auf Schreibtischarbeit. Statt am Telefon zu sitzen und schön brav den ganzen Tag über die Fäden zu halten, gehe ich lieber raus, suche nach Hinweisen und rede mit den Leuten.«
Das plötzlich aufbrandende Gelächter der beiden ließ die Kollegen herumfahren, und Kriminalhauptkommissar Pfluhm beobachtete staunend, wie Xaver Moll dem neuen Chef des Kemptener Mordkommissariats krachend die Hand auf die Schulter haute.
Endlich ging’s voran. Hansen stand mit den anderen auf der Lechbrücke und sah, wie Moll die einzelnen Suchtrupps einteilte, ihnen Bereiche zuwies und sie losschickte. Der Hubschrauber knatterte über dem Lech und bewegte sich langsam flussaufwärts über das Waldstück auf der Gründler Uferseite hinweg. Zwei Tage nach Ruffs Verschwinden würde die Wärmebildkamera wohl nicht mehr sehr nützlich sein, aber man konnte nie wissen. Die Wasserwacht war mit zwei Schlauchbooten angerückt, die auf der Lechbrucker Uferseite unterhalb der Brücke zu Wasser gelassen wurden.
Kerricht schloss sich den Beamten an, die das Moor durchkämmen wollten, von dem Kerstin Wontarra gesprochen hatte. Der Premer Filz lag etwa einen Kilometer östlich der Brücke und erstreckte sich über ein Gebiet von grob geschätzt sechshundert mal achthundert Meter.
Als alle auf den Weg gebracht waren, standen Moll, Pfluhm, Haffmeyer, Fischer und Hansen noch kurz beisammen und besprachen sich, was bis zur ersten Erfolgs- oder Misserfolgsmeldung der Suchtrupps zu tun blieb. Am Ende waren alle Handynummern ausgetauscht und alle anstehenden Aufgaben verteilt. Hansen, Haffmeyer und Fischer klapperten die Häuser ab, deren Bewohner mit etwas Glück den Zwischenfall auf der Brücke beobachtet haben konnten, aber niemand hatte etwas gesehen – und Hansen hatte das Gefühl, dass die meisten Nachbarn darüber auch sehr froh waren.
Nur eine ärgerte sich: Maria Waghuberl, eine rüstige Mittsiebzigerin, die sich mit ihrem Reisigbesen vor dem Haus zu schaffen machte und die Polizisten mit misstrauischer Miene empfing.
»Am Donnerschtag hab i nix gseacha, sonscht scho.«
»Wie, sonst schon?«, hakte Hansen nach und freute sich, dass er die Frau trotz Dialekt verstanden hatte.
»Der Thomas is allaweil num zur Kessie, der Schlampn. Wann’s den gjuckt hot, isch er losmarschiert, sei Marlene hot en wohl nimmer glassn.« Sie kicherte, und ein böses Grinsen spielte um ihren faltigen Mund. »Mei, des konnt i gar it übersäha, wenn der allaweil die Brück langglatscht isch. Vom Küchafenschter hab i an Blick direkt da herunter, und in der Küch bin i ja oft.« Sie beugte sich ein wenig vor, bis Hansen ihren schlechten Atem riechen konnte. »Zletscht war er immer recht schnell fertig bei dr Kessie. Wenn i gspült hab, isch er nüber, und zum Kaffee scho wieder zruck. Mei, bloß oi Stund – des hätt’s bei meim Alois und mir it gäba, domols …«
Sie lächelte versonnen, und Hansen fuhr es eiskalt den Rücken runter.
»Ja, sehr schön, Frau Waghuberl«, sagte er schnell. »Sie haben Thomas Ruff also am Donnerstag nicht gesehen?«
»Auf dr Brückn?«
Hansen nickte.
»Noganga scho, zruck it.«
»Und wann ging er hin zu Frau Wontarra?«
»Do schau i doch net extra auf d’Uhr!« Sie klang ehrlich empört, schob dann aber sofort nach: »I hab gspült, wie immer – also wird’s so um die halber zwoi gwäsa sei.«
Hansen verkniff sich ein Grinsen.
»Und zruck hab i’n nimmer gseacha.«
»Wie lange haben Sie denn auf ihn ge… Ich meine, wie lange waren Sie denn noch in der Küche?«
»I hab mein Kaffee trunkn, da sitz i gern direkt am Fenschter und schau a bissl naus. Aber irgendwann war die Kann halt leer, no bin i hinters Haus. I hab mi no gwundert.«
»Warum das denn?«
»Ja, weil der Thomas doch sonscht nimmer so lang konnt, grad mit seine Sorga mit am Hof, wissen S’?« Sie grinste wieder und legte ihre schiefen gelben Zähne frei.
»Sorgen?«
Hansen wusste von der finanziellen Schieflage des Pferdehofs, und von Maria Waghuberl war kaum mehr als böser Klatsch zu erwarten – aber auch das hatte schon brauchbare Ansätze für gezielte Ermittlungen ergeben.
»Da langt’s Geld hat it«, sagte sie und rieb den rechten Daumen an Mittel- und Zeigefinger. »Allaweil hat er umandumgmacht mit seine Rösser, aber koiner von de Klepper hat wirklich was eibrocht. Und jetzat sollt’s der Salvatore rausreißn, aber vielleicht isch
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