Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
erhofften Preis bringt?«
»Das auch. Aber die Stute kann das Fohlen zum Beispiel auch vor der Geburt verlieren. Deshalb verabreden Züchter oft auch eine gestaffelte Fälligkeit für die Decktaxe.«
Hansen sah fragend drein, und Schwabinger hob abwehrend die Hände. »Schon gut, schon gut, ich hab was übersprungen. Gehen wir noch einmal zurück: Sie haben also einen Hengst, der sich für die Zucht eignet. Also melden Sie ihn zur Körung an – da wird geprüft, ob Ihr Pferd auch alle Voraussetzungen für einen Deckhengst mitbringt. Die Vorfahren müssen über mehrere Generationen hinweg bekannt sein, und es darf keine gesundheitliche Einschränkung geben, die weitervererbt werden könnte. Ist das Pferd gekört, darf es an der Hengstleistungsprüfung teilnehmen, bei der getestet wird, ob das Tier alle erwünschten Eigenschaften mitbringt. Ist auch das bestanden, wird das Pferd als Deckhengst oder Beschäler ins Hengstbuch eingetragen. Und diese Deckhengste werden danach unterschieden, wo sie stehen. Ein Hauptbeschäler dient in einem Hauptgestüt als Deckhengst – also einem staatlichen Gestüt, das mit eigenen Hengsten und Stuten Zucht betreibt, wie zum Beispiel in Marbach. Ein Landbeschäler steht in einem Landgestüt – das sind staatliche Einrichtungen, die selbst nicht züchten, sondern nur Deckhengste bereitstellen. Und Salvatore ist ein Privatbeschäler: ein Deckhengst in Privatbesitz. Thomas Ruff hatte weder genügend Kapital, um die Fohlen selbst zu behalten, noch besaß er eigene Stuten von ausreichender Qualität. Deshalb wollte er über die sogenannte Decktaxe Geld verdienen. Das ist die Summe, die den Besitzern eines Deckhengstes fürs Decken einer Stute gezahlt wird.«
»Über welchen Betrag reden wir da?«
»Das ist ganz unterschiedlich. Der eine Hengst ist fünfhundert Euro wert, der andere um die zehntausend – da kann übers Jahr schon einiges zusammenkommen für den Eigentümer.«
»Und wie oft kann so ein Hengst … äh … ran im Jahr?«
»Wenn Sie die gesamte Saison geschickt nutzen, kann ein Hengst zwischen sechzig und hundertfünfzig Stuten decken, aber Thomas hatte in diesem Jahr noch nicht so richtig Fuß gefasst, und er hatte den Hengst ja auch noch nicht so lange – die Decksaison geht bei uns von etwa Mitte Februar bis Ende Juli, Anfang August, da ist demnächst also wieder Feierabend. Und soweit ich das mitbekommen habe, konnte Salvatore bei Thomas bisher nur sechs oder sieben Stuten decken. Viel mehr als sechs- oder achttausend Euro wird er also kaum erzielt haben – und vermutlich bekommt er die Hälfte des Geldes erst im Herbst, wenn die Stuten dann noch trächtig sind.«
»Und mit den paar Tausend Euro sollte Salvatore den Ruff-Hof finanziell retten?«
»Im nächsten Jahr hätte Thomas die gesamte Saison nutzen können. Salvatore ist wohl auch recht unkompliziert als Deckhengst, das hätte sich unter den Züchtern herumgesprochen – also wäre er häufiger gebucht worden, und das hätte wiederum die Decktaxe nach oben getrieben. Außerdem hat Salvatore gute Voraussetzungen, mit den Jahren immer mehr wert zu werden.«
»Wovon hängt das ab?«
»Von der Abstammung des Deckhengstes, von seinen Erfolgen auf der Rennbahn – und irgendwann, wenn die ersten Nachkommen eines Deckhengstes selbst Rennen laufen, haben auch deren Erfolge Auswirkungen auf die Decktaxe. Salvatores Vater Saetta hat einige prominente Rennen gewonnen, dessen Vater Sassonia galt als eines der besten Pferde seines Jahrgangs in ganz Europa – und auch die Linie der Mutter konnte sich sehen lassen.«
»Und wie kam Salvatore zu Ihnen?«
»Das sächsische Gestüt, in dem er aufwuchs, geriet in finanzielle Schwierigkeiten. Salvatore hatte schon bei ein paar Hengstschauen Bestnoten abgeräumt. Doch bevor die Besitzer einen vernünftigen Kaufpreis aufrufen konnten, zog sich Salvatore eine Sehnenverletzung zu. Er wurde behandelt, ruhiggestellt und bekam danach Aufbautraining. Manche Besitzer lassen ein solches Tier einschläfern oder geben es zum Abdecker, die Kollegen in Sachsen dagegen haben alles versucht, ihn wieder aufzupäppeln. Als dem Gestüt das Geld ausging, verkauften sie Salvatore und einen anderen Saetta-Nachkommen und behielten nur den jüngsten Hengst für sich – der hat übrigens auch schon ordentlich Furore gemacht, und inzwischen sieht es für die berufliche Zukunft meiner Kollegen schon wieder ganz gut aus.«
»Sie haben also Salvatore gekauft.«
»Ja, war nicht mal teuer – wie
Weitere Kostenlose Bücher