Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
er. »Thomas Ruff aus Lechbruck ist tot, er wurde von der Lechbrücke gestoßen.«
»Ach was?«, sagte Schwabinger und sah dabei überrascht, aber nicht unbedingt schockiert aus. Entweder hatte dieser Mann die Ruhe weg, oder es war in seiner Branche keine Seltenheit, dass jemand von einer Brücke gestoßen wurde.
»Sie haben ihm einen Hengst verkauft.«
»Ja, klar, damit verdiene ich mein Geld, unter anderem. Ist was mit Salvatore?«
»Nicht dass ich wüsste. Was sollte denn sein?«
Schwabinger sah zwischen Hansen und Haffmeyer hin und her, dann lehnte er sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Seien Sie mir nicht böse: Aber dieses Gespräch gefällt mir nicht. Sie sagen was, ich reagiere drauf, Sie fragen komisch zurück … Wissen Sie, mein Terminplan für heute ist ein bisschen auf Kante genäht, da wäre es schön, wenn Sie mich einfach fragen, was Sie wissen wollen, und ich antworte Ihnen darauf, so gut ich kann.«
Hansen hatte gute Lust, eingeschnappt zu sein, aber insgeheim musste er dem Mann recht geben. Durch dessen unentschuldigte Verspätung war er ihm gegenüber unangemessen angriffslustig eingestellt. Nicht sehr professionell, schalt er sich in Gedanken. Schwabinger war Züchter, er hatte Ruff einen Hengst verkauft, und beide Seiten waren vermutlich mit dem Handel zufrieden gewesen.
»Sie haben recht, Herr Schwabinger. Also: Könnten Sie sich jemanden vorstellen, der ein Interesse am Tod von Thomas Ruff oder einen Vorteil davon haben könnte?«
Schwabinger dachte nach. »Nein, eigentlich nicht. Thomas konnte ein ziemlicher Dickkopf sein, das hat sicher nicht jedem geschmeckt – aber wir beide hatten kein Problem miteinander. Am meisten Zoff hatte er mit seinem Bruder Hermann, aber …« Er schüttelte heftig den Kopf. »Mir fällt wirklich niemand ein, der Thomas so gehasst haben könnte, dass er …« Er unterbrach sich. »Sie sind sicher, dass er ermordet wurde? Ich meine: von einer Brücke kann man ja auch einfach runterfallen. Er hat schon gern mal einen über den Durst getrunken, und … na ja …«
»Wir haben einen Zeugen, der zwei Männer dabei beobachtet hat, wie sie ihn übers Geländer geworfen haben.«
Hansen schwieg und musterte Schwabinger, der nun sehr nachdenklich vor ihnen saß. Der Mann war ein Koloss: gut eins neunzig groß, struppige dunkelbraune Haare, ein etwas feistes Gesicht, aber ansonsten von eher vollschlanker Statur, und die muskulösen Unterarme deuteten darauf hin, dass er ordentlich zupacken konnte.
»Sie wollten wissen, wer einen Vorteil aus seinem Tod ziehen könnte. Ich jedenfalls nicht: Ich hatte gehofft, dass ich ihm noch ein paar Pferde verkaufen könnte, sobald er sich dank Salvatore finanziell ein wenig berappelt hätte. Seine Frau Marlene … eigentlich auch nicht. Die muss den Hof jetzt allein auf die Beine bringen – mal sehen, wie sie das hinbekommt. Von Pferden hat sie keine Ahnung, und dieser Klemens Pröbstl, der auf dem Hof arbeitet, ist nicht schlecht, aber Thomas kann er nicht das Wasser reichen.« Er machte eine kurze Pause, dann sah er Hansen prüfend an. »Ich weiß nicht, ob Sie … wie vertraut Sie mit den … nun ja … privaten Verhältnissen von Thomas sind. Ich … äh …«
»Wir wissen von seinem Verhältnis zu Frau Wontarra, wenn Sie das meinen.«
Er schien erleichtert. »Ja, die Kessie … Er hatte sie mal bei sich, als wir noch wegen des Preises für Salvatore feilschten. Heißes Mädel.« Er grinste und wiegte seinen Kopf. »Kann ich ihm nicht verdenken, dass er dafür seine Marlene links liegen ließ.« Ein Lächeln glitt über sein Gesicht, dann wurde er wieder ernst. »Mir kam es damals so vor, als wolle er Kessie … wie soll ich es ausdrücken? Als wolle er sie gewissermaßen in das Thema Pferdezucht einführen. Vielleicht hatte er ihr versprochen, sich von Marlene zu trennen und sie zu heiraten. Vielleicht hatten die beiden vor, Marlene auszubooten und das ›Rossparadies‹ gemeinsam weiterzuführen. Natürlich weiß ich nicht, ob das überhaupt gegangen wäre – den Betrieb hat zwar Thomas geführt, aber es war mal der Hof von Marlenes Eltern gewesen. Ich nehme an, dass die das Anwesen ihrer Tochter vermacht haben und nicht dem Schwiegersohn, aber wie gesagt: Da weiß ich nichts Näheres.«
»Sie hatten erwähnt, dass Sie um Salvatores Preis längere Zeit gefeilscht haben.«
»Ja, aber das ist nicht ungewöhnlich in meiner Branche. Pferdehändler waren ja auch in früheren Zeiten
Weitere Kostenlose Bücher