Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
hinten um den Oberschenkel, drückt mit den Armen zu und zieht gleichzeitig schnell und kräftig nach oben. Wenn nun noch der andere zupackt – zum Beispiel an den Schultern oder im Bereich des Brustkorbs –, verliert Ruff vollends das Gleichgewicht, und mit einem kleinen Schubs ist er auch schon auf dem Weg hinunter von der Brücke.«
»So hat es auch unser Zeuge beschrieben: Zwei Männer stoßen Ruff von der Brücke.«
»Und so passt es auch zu Ruffs Verletzungen. Übrigens haben auch Ihre Kriminaltechniker an der Kleidung des Toten Risse und andere Schäden festgestellt, die die Aussage Ihres Zeugen bestätigen.«
»Prima. Und wann ist Ruff gestorben?«
»Zwischen sieben und acht Uhr am Donnerstagabend. Der Körper wurde eindeutig in den ersten Stunden nach Eintritt des Todes transportiert. Ihre Kollegen von der Spurensicherung haben auf der Oberseite von Ruffs Schuhen Kratz- und Schleifspuren festgestellt. Das ist natürlich nicht anders zu erwarten: Wenn Sie einen Toten irgendwo wegbringen müssen, hilft der Ihnen ja nicht mehr – also schleifen Sie ihn weg, indem Sie ihn sich entweder auf den Rücken packen oder, wenn Sie einen Helfer haben, indem Sie und der andere je einen Arm unterhaken. Allerdings sind die Schleifspuren an Ruffs Schuhen ungewöhnlich stark – das bekommen Sie im normalen Fußgängertempo eigentlich nicht hin.«
»Das heißt?«
»Wir haben an Ruffs Hintern und in seinem Intimbereich Druckstellen gefunden, die auf eine Sitzposition hindeuten, als habe er stark vornübergebeugt auf so etwas wie einer Bank gesessen, und zwar rittlings.«
Hansen stutzte kurz, dann dämmerte es ihm. »Sie reden von einem Motorrad.«
»Genau«, sagte sie mit zufriedenem Lächeln. »Ein Motorrad oder Moped oder Motorroller – mit einer nicht allzu weich gepolsterten Sitzbank.«
»Und wieso ist der tote Ruff nicht spätestens in der ersten Kurve von der Sitzbank gefallen oder gerutscht?«
Resi Meyer ging zu einem Schreibtisch und zog ein Foto aus der Schublade. Es zeigte den Rücken des Toten, auf dem ein Stück unterhalb der Schulterblätter eine Druckstelle zu sehen war, die sich wie eine Linie über die ganze Breite des Rückens zog.
»Die haben ihn festgebunden?«
Meyer nickte. »Mit einem Gürtel oder vielleicht auch einem Lederriemen – und es muss etwas Längeres gewesen sein, schließlich musste es um zwei Oberkörper herumpassen.«
Der dritte von vier Pfeilen blieb endlich in der Zielscheibe stecken. Hansen ging durch den Garten, um die Geschosse aus dem Gebüsch hinter der Zielscheibe zu holen. Dabei stieß er auf eine nicht gerade angenehme Überraschung: Eine der Pfeilspitzen hatte eine Maus durchbohrt, von der allerdings nicht mehr viel übrig war – nur direkt um den Pfeil herum war das Tier nicht ganz abgenagt.
Angewidert trug Hansen den Pfeil zum Haus und sah sich nach etwas Altpapier um, damit er den Kadaver von der Spitze in den Mülleimer streifen konnte. Schließlich hatte er eine alte Zeitung gefunden, die zusammengefaltet neben einem Stapel Brennholz lag. Er klappte den Mülleimer auf und befreite den Pfeil von den Mausresten. Am Ende der Prozedur hörte er dicht an seinem Kopf ein Fauchen, gefolgt von einer Art Knurren, wie es nur angriffslustige Katzen zustande bringen.
Langsam wandte er den Kopf: Auf einem Balken unterhalb des Vordachs, keinen halben Meter von seinem Gesicht entfernt, lauerte Ignaz, bleckte die Zähne, fauchte und knurrte und schien zum Sprung bereit.
Hansen, völlig genervt von dem anstrengenden Tier, drehte sich langsam um, fixierte die Augen des Katers und hob den Pfeil an, bis seine Spitze genau auf Ignaz zeigte.
»Na, komm, Kätzchen, dann spring doch!«
Eine Weile standen sich die beiden gegenüber, dann begann Hansen plötzlich die Knurr- und Fauchgeräusche des Katers nachzuahmen. Ignaz stellte die Ohren auf, starrte den Zweibeiner schräg unter sich an, dann legte er den Kopf schief.
Auf einmal sprang Hansen aus dem Stand nach oben, fauchte erneut, riss die Augen auf – und Ignaz, so unvermittelt nur noch Zentimeter von großen, irr blickenden Menschenpupillen entfernt, bekam einen Heidenschreck und flitzte das Dachgebälk entlang, bis er am Ende des Hauses mit ein paar großen Sätzen die Wiese erreicht hatte.
Hansen freute sich über seinen glorreichen Sieg – bis er im Küchenregal die zerfetzte und fast leere Kekspackung entdeckte.
Dienstag, 11. Juni
Hanna Fischer und Haffmeyer holten Hansen kurz nach halb acht daheim ab. Vor der
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