Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
der Weg nach Kempten beim besten Willen nicht zu schaffen – und womöglich stellte sich auf der Fahrt dorthin heraus, dass einer von Schwarzackers Kumpels doch zu Hause war und sofort befragt werden konnte.
Also schenkten sie sich den Stress und ließen sich von Haffmeyer zur Käse-Alm in Gründl leiten, wo sie sich eine deftige Brotzeit mit Rauchwurst, würzigem Käse und einem herrlich saftigen Laib Bauernbrot gönnten. Anschließend fuhren sie nach Lechbruck hinüber, um mit Horst Pröbstl zu reden. Vielleicht war dem noch etwas eingefallen.
Unterwegs erfuhr Hansen übers Handy, dass keiner von Marco Schwarzackers Kumpels zu Hause gewesen war – zu dieser Uhrzeit kein Wunder. Aber die Kollegen wollten es am Abend erneut versuchen.
Heute schien Horst Pröbstl noch nicht betrunken zu sein. Er saß auf der Holzbank vor seinem Haus, klaubte ab und zu ein Stück Wurst aus einer Plastikschüssel auf seinem Schoß und warf sie vor sich auf die Straße, wo sich drei junge Katzen um die Leckerbissen balgten.
»Hallo, Herr Pröbstl«, sagte Hansen. »Heute scheint’s Ihnen besser zu gehen.«
»Das täuscht. Ich hätte große Lust auf ein paar Bier oder einen Schnaps. Aber ich hab mir gedacht, das hat auch später am Tag noch Zeit.«
»Freut mich zu hören. Darf ich?« Er deutete auf die Bank.
Pröbstl nickte und rutschte ein Stück zur Seite, damit sich der Kommissar setzen konnte. Eines der Kätzchen strich sofort um sein Hosenbein, behielt dabei aber aufmerksam Pröbstls Hand im Blick, mit der er nach dem nächsten Wurststück griff.
»Und was haben Sie rausbekommen? Wissen Sie schon, wer Thomas von der Brücke geworfen hat?«
»Nein, noch nicht. Aber wir sind ja auch nicht beim Fernsehen, wo der Kommissar nach neunzig Minuten fertig sein muss.« Hansen grinste. »Übrigens hat sich bisher durch die Sicherung der Spuren und die Untersuchung des Leichnams alles bestätigt, was Sie Herrn Kerricht gegenüber ausgesagt haben.«
Nun lächelte Pröbstl und wandte sich an Hansen. »Sie wissen gar nicht, wie gut mir das tut.« Er hatte Tränen in den Augen. »Wenn man immer nur als Depp abgestempelt wird und wenn es heißt: ›Ach, was der Pröbstl schon daherredet, der ist eh besoffen und weiß nicht, was er sagt.‹ Das trifft einen. Und irgendwann verlieren Sie den Respekt vor sich selbst, wissen Sie?«
»Das glaub ich Ihnen.«
Pröbstl lehnte sich auf der Bank zurück, stierte zum Himmel hinauf und atmete ein paarmal schwer ein und aus. Die Kätzchen suchten schnuppernd den Boden ab, und als sie nichts mehr fanden, strichen sie um Pröbstls Beine oder stupsten seine Waden mit ihren Schnauzen an. Er rieb sich mit der Hand über die Stirn, wischte sich die Augen trocken und sah zu den Katzen hinunter.
»Die sind da nicht so heikel, die drei Kleinen. Solange man denen etwas zu fressen gibt, lieben sie einen. Und wenn die Schüssel leer ist, lieben sie halt den nächsten.«
Er grinste und zeigte den Kätzchen die leere Schüssel, woraufhin sie sich trollten.
Hansen sah sich um. Es wirkte so friedlich hier, auch Pröbstls alter Bauernhof lag idyllisch in der Sonne, und nichts deutete darauf hin, dass ganz in der Nähe ein Mord geschehen war. Der Verkehr auf der Hauptstraße war als eine Art Grundrauschen zu hören, ansonsten klapperten irgendwo in der weiteren Nachbarschaft Werkzeuge, und Bretter wurden gestapelt oder umgeräumt.
Ein leise kratzendes Geräusch beendete Hansens Träumereien. Pröbstl hatte eine Weidenrute in der Hand und zeichnete damit geschickt und schnell Striche in den sandigen Boden zu seinen Füßen. Hansen sah schweigend zu. Pröbstl wirkte sehr konzentriert, seine Hand zitterte fast gar nicht – dann zog er noch einen Kreis um die Zeichnung und lehnte sich zufrieden zurück. Hansen erkannte das Motiv des »Burggener Maximilian«, jener Schleife, mit der Thomas Ruff vom nächsten Rosstag an die besten Hengste prämieren wollte.
»Ist das auch von Ihnen?«
»Ja«, sagte Pröbstl. »Nicht schlecht, was?«
»Das hab ich schon mal gesehen. Thomas Ruff hatte dieses Motiv für eine Prämierungsschleife vorgeschlagen und wohl auch durchgesetzt. Das sollte in diesem Jahr erstmals verliehen werden, drüben in Burggen.«
»Ach, beim Rosstag?«
Hansen nickte.
»Wussten Sie das nicht?«
Pröbstl schüttelte den Kopf, aber er lächelte dabei.
»Hat Herr Ruff Ihren Entwurf geklaut? Sie müssten doch zustimmen, wenn er so etwas verwenden will.«
»Zugestimmt hab ich im Prinzip schon vor
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