Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
acht stand Haffmeyer vor dem Haus. Hansen behielt die von Ignaz zerkratzte linke Hand in der Tasche und nahm auf dem Beifahrersitz Platz.
»Und? Wohin geht’s jetzt? Holen wir Frau Fischer ab?«
»Gewissermaßen. Lassen Sie sich einfach überraschen.«
Wenig später bog der Wagen in die Pappenheimstraße im Füssener Westen ein. Nach wenigen Metern hielt Haffmeyer am linken Straßenrand. Hansen wusste, dass seine Mitarbeiterin in dieser Siedlung lebte.
»Und, was wird das jetzt?«
Haffmeyer antwortete nicht, sondern grinste nur und deutete wortlos nach vorn. Dort kam gerade Hanna Fischer aus dem Haus und hatte eine große Sporttasche geschultert.
Nach ein paar Minuten fuhr Haffmeyer langsam die Straße entlang. Er schien darauf zu achten, nicht ins Blickfeld von Hanna Fischer zu geraten, die ein Stück vor ihnen immer wieder mal kurz zu sehen war, bevor sie in überraschend flottem Schritt um die nächste Ecke verschwand.
Hanna Fischers federnder Gang ließ ahnen, dass sie sich sehr auf das freute, was vor ihr lag. Schließlich ließ Haffmeyer den Wagen auf dem Parkplatz vor dem Eisstadion ausrollen. Eishockey war nicht unbedingt Hansens bevorzugte Wintersportart, aber über die glorreiche Vergangenheit des heute drittklassigen hiesigen Vereins hatte er sich natürlich als gewissenhafter Tourist schon vor vielen Jahren informiert. Fischer marschierte geradewegs auf den Eingang der großen Halle zu. Haffmeyer stellte den Wagen ab und folgte ihr mit Hansen im Schlepptau in einigem Abstand. Hanna Fischer nahm eine Treppe ins Untergeschoss, Hansen und Haffmeyer gingen hinterher und betraten dann den etwas düsteren Vorraum. Von dort aus ging es nach rechts zu den Umkleideräumen und geradeaus ins Innere der Eishalle.
Hinter der nächsten Tür wurde es kühler. Hansen hatte die Eisfläche vor sich, umgeben von Stellwänden, die etwa ab Hüfthöhe mit großen Scheiben aus transparentem Kunststoff umgeben waren.
In der Halle war niemand zu sehen. Durch das Eis schimmerten Spielfeldmarkierungen und das Füssener Stadtwappen, die großen Fenster ließen viel Licht herein, und über ihnen wölbte sich die Halbkugel des Dachgewölbes, das der Halle von außen ihr charakteristisches Aussehen verlieh. Haffmeyer stieg die Treppe zu den Publikumsrängen hinauf. Hansen zog seine Jacke enger um sich und setzte sich zu seinem Mitarbeiter, der schon einen etwas abgelegenen Platz in der oberen Hälfte der Tribüne gefunden hatte.
Plötzlich schlug irgendwo unter ihnen eine Tür zu. Hansen beugte sich ein wenig vor. Hanna Fischer kam, machte sich unten in einer Glaskabine zu schaffen, und kurz darauf erklang »Lara’s Theme« über die Hallenlautsprecher: die berühmte Melodie aus Doktor Schiwago . Ihr Schritt hatte etwas Watschelndes, und als sie sich auf die Bank setzte und die Schoner von ihren Schlittschuhen nahm, wusste er auch, warum.
Ihre Brille hatte sie abgenommen, also mussten Hansen und Haffmeyer kaum befürchten, dass die kurzsichtige Kollegin sie hier oben erkennen würde. Langsam trat sie aufs Eis hinaus und glitt ein paar Meter bis in die Mitte des Ovals. Jetzt erst konnte Hansen sie ganz sehen, und er war – um es vorsichtig auszudrücken – einigermaßen verblüfft über ihre Aufmachung. Haffmeyer zuckte nur mit den Schultern und lächelte, dabei musterte er aber seinen Chef ganz genau, ob der sich womöglich über die Aufmachung der Kollegin lustig machte.
Hanna Fischer hatte sich in ein hauteng anliegendes Eistanztrikot gezwängt, das ihr üppiger Körper in gewaltige Falten und Wülste warf. Um die Hüfte hatte sie sich eine Art kurzes Tutu aus weißem Stoff geschnallt, das zwischen ihren Speckröllchen fast waagrecht hervorstand und ihr das Aussehen einer etwas zu wuchtig geratenen Elfe bescherte.
Die Beinbündchen des Trikots saßen gut eine Handbreit unterhalb der Knie. Darunter trug sie eine dunkel getönte Strumpfhose, die in weißen Schlittschuhen mit blütenweißen Schnürsenkeln steckte.
Hätte jemand Hansen dieses Bild beschrieben, er hätte es wohl vor allem lächerlich gefunden – doch der Gesichtsausdruck und die Körperhaltung von Hanna Fischer strahlten eine solche Würde aus, dass an Lachen nicht zu denken war. Langsam zog sie auf dem Eis ihre Bahnen, seelenruhig setzte sie Pirouetten, streckte ihre Arme und ließ die Streckbewegung in ein grazil angedeutetes Winken mit den Händen münden. Dann warf sie ihren Kopf wieder energisch nach hinten, legte sich in die nächste Kurve und
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