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Rost

Titel: Rost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Meyer
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her.«
    »Ach, du und deine liberale Politik.«
    »Nee, libertär.«
    »Egal.« Ho grinste.
    »Pass auf, wie du redest, wenn du die Knarre behalten willst.«
    »Jawohl, Sir.«
    »Den Papierkram schon erledigt?«
    »Wollte erst dich fragen.«
    Harris rieb sich an den Schläfen. Insgesamt war’s besser, wenn es
über Ho, der einen Hund mit seinem automatischen Gewehr erschoss, nichts
Schriftliches gab. Sollte es jedoch zu der Beschwerde kommen … »Lass mich
drüber nachdenken. Undgegen elf könntest du mal für Billy Poe was holen,
aus dem Dairy Queen.«
    »Der Junge ist geliefert, stimmt’s? Ich habe von Carzanos Zeugen
schon gehört.«
    »Wir werden sehen.«
    »Tut mir leid, Chief. Wie gesagt, es wär wohl besser, wenn der Arsch
von Cecil Small noch Staatsanwalt wär.«
    »Also«, sagte Harris. »Hab zu tun.« Er gab Ho einen Wink, und der
ließ ihn allein in dem Büro.
    Ho hatte recht. Denn Cecil Small, der länger Staatsanwalt von
Fayette County war als Harris Polizist, war vor den Wahlen letztes Jahr um
Hilfe bittend angekommen. Harris hatte abgelehnt, und Cecil Small hatte
verloren, wegen vierzehn Stimmen. Cecil Small hätte die Sache regeln können –
schließlich hatte er schon einmal zugestimmt, dass Billy Poe mit Hilfe eines
Deals davonkam und nicht wegen schwerer Körperverletzung belangt wurde. Doch
Harris hatte Cecil Small nie leiden können – der genoss das Gott-Spielen ein
bisschen zu sehr. Das war würdelos, ein Siebzigjähriger, der sich noch immer
dran berauschte, Leute einzusperren. Und von anderen erwartete, dass sie ihm
einen Drink spendierten, jedes Mal, wenn er gewonnen hatte. So als ob er bei
der Schlacht von Gut und Böse eine Schlüsselposition besetzt hielte. Er war
seit dreißig Jahren König hier in Fayette County, und erst jetzt hatte er es
gemerkt: Die Wähler waren’s leid. Der neue Staatsanwalt, erst achtundzwanzig,
den Harris gewählt und den er überhaupt ins Amt gebracht hatte, indem er die
erforderlichen Anrufe für Cecil Small verweigerte, der musste sich beweisen,
und er überschlug sich geradezu, um einen Fall wie diesen zu bekommen. Ja, es
hatte Folgen, wenn man nach seinem Gewissen abstimmte.
    Er fragte sich, was Ho wohl davon hielt, er protegierte schließlich
Graces Sohn. Vermutlich akzeptierte er es als natürliches Verhalten. Ho war
äußerst realistisch, und er glaubte nicht daran, dass er etwas verändern
könnte. Er gehörte zu der neuen Generation,sein stummelnasiges Sturmgewehr
nahm er überallhin mit, er war gekleidet, als beträte er gleich eine
Kriegszone, wogegen Harris selten daran dachte, seine kugelsichere Weste
anzulegen, und als »Arbeitsschuhe« trug er eben diese Cowboystiefel, die er
seit der Reise nach Wyoming hatte – keine gute Wahl, falls er mal wen zu Fuß
verfolgen musste. Aber Ho lag richtig. Falls was schiefging, war Verstärkung in
Gestalt der State Police mindestens eine halbe Stunde weg, die Dinge änderten
sich, heute waren alle Kids auf Speed, das sie sich selbst aufkochten, und man
hatte keine Ahnung, wozu sie imstande waren. Nein, dachte er, so zu denken ist
Teil des Problems. Da steht ihr, du und die, von Anfang an auf gegnerischen
Seiten. Harris musste über sich den Kopf schütteln. Wahrscheinlich muss der
alte Mann erst noch erfunden werden, der nicht findet, dass die jungen Leute
allesamt degeneriert sind. Liegt im Wesen, bei der Jugend wie beim Alter. Es
tut weh zu sehen, wie die Welt sich ohne dich verändert.
    Allerdings konnte er es Ho nicht verdenken, dass ihm eine Handwaffe
nicht reichte, wenn er sich in eine solche Situation begeben musste. Ganz zu
schweigen davon, dass Ho nur noch da war, weil ihm Harris freie Hand ließ, nur
so machte diese Arbeit Spaß. Die Federal Police stieß all ihre alten M- 16 s ab, sie schenkte sie den Stadtcops, Harris hatte zehn
davon, umsonst, mal abgesehen von den Frachtkosten. Und Ferngläser,
Nachtsichtgeräte, Schutzschilde und alte kugelsichere Westen hatten sie auch
noch gekriegt, alles umsonst. Jetzt hatten sie mehr Waffen und mehr Ausrüstung
als Personal, mehr Ausrüstung, als Harris damals hatte, bei seinem
Vietnameinsatz mit den Marines. Das war Hos Werk, der Wochen seiner Freizeit
damit zugebracht hatte, die Formulare auszufüllen, der sein eigenes Gewehr für
Tausende von Dollar aus der eigenen Tasche mit einem Zehn-Inch-Lauf und dem
holografischen Visier hatte versehen lassen. Derzeit wohnte Ho ganz zufrieden
im Keller seiner Eltern und betrieb die Waffenschmiede nebenbei, doch

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