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Rost

Titel: Rost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Meyer
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das hier in den
Schoß. Die von der State Police sagen, ich soll jetzt deine blöden Schuhe
konfiszieren.«
    Billy sah auf seine Turnschuhe.
    »Pass auf, Billy: Der tote Otto Carson war ein Haufen Scheiße. Schon
für jeden Mist im Knast gesessen, ein paar Zwischenstopps in der Geschlossenen,
zwei Haftbefehle wegen schwerer Körperverletzung, einen aus Baltimore, den
anderen aus Philadelphia. Er hätte früher oder später jemand umgebracht. Hatte
er höchstwahrscheinlich schon.«
    »Worauf willst du hinaus«, fragte Poe.
    »Wenn’s von mir abhinge und du gleich zu mir gekommen wärst, dann
hätte ich gesagt, ein klarer Fall von Notwehr. Oder alles hätte sich von selbst
geregelt. Aber hast du nicht gemacht. Du bist geflohen. Und jetzt hast du einen
Typen, der dabei war in der Werkshalle und sagt, du hättest seinen Kumpel
umgebracht.«
    Bud Harris lehnte sich zurück und in die Sonne. Meist beobachtete
er die anderen in dieser Lage, jedes Zucken ihrer schuldigen Gesichter. Aber
Billy Poe, den wollte er nicht sehen. »Brauchst du einen Kaffee?«, fragte er.
    Poe schüttelte den Kopf.
    Er wartete darauf, dass Poe was anmerkte, sich irgendwie bewegte,
tat er aber nicht. Harris stand auf und ging ans Fenster, schaute übers Tal.
»Ich schätze, ihr wart fünf da in der Halle. Du, ein zweiter,
höchstwahrscheinlich Isaac English, Mr. Carson und zwei seiner Freunde –«
    »Warum habt ihr Isaac dann nicht verhaftet?«
    »Isaac English ist hier kein Verdächtiger«, erklärte Harris, »weil
der Staatsanwalt nicht weiß, wer er ist, und je mehr der Staatsanwalt weiß,
desto schlimmer bist du dran.«
    »Wie ich schon sagte«, meinte Billy, »ich weiß nichts davon.«
    Bud Harris nickte und beschloss, den netten Cop zu spielen. »Ist ja
alles richtig, Billy. Du musst mir jetzt nur erzählen, was passiert ist und wer
noch in der Maschinenhalle war, damit wir dafür sorgen können, dass der Fall
als Notwehr vor Gericht kommt. Weil wenn die Geschworenen nichts anderes sehen,
als dass du den Mann getötet hast und dann geflohen bist, wird selbst ein
Grüppchen erzreaktionärer Selbstjustizanhänger dafür stimmen, dass du an den
Galgen kommst.«
    »Sein Kumpel hielt mir ’n Messer an die Kehle, und der tote Typ kam
auf mich zu und wollte mich plattmachen«, sagte Poe.
    »Gut.«
    Poe blickte ihn an.
    »Hör jetzt nicht auf.«
    »Da war es dunkel«, sagte Poe, »konnte die restlichen Gesichter
nicht erkennen.«
    »Nein.«
    »Ich hab ihn nicht getötet.«
    »Billy, Scheiße, ich hab dich dabei erwischt, wie du zurückgekehrt
bist an den Tatort.« Wieder schaffte er es, nicht die Jackezu erwähnen, die
er dort gefunden hatte. »Überall sind deine Fußabdrücke. Adidas in Größe 47 – wie viele Leute tragen die wohl?« Harris suchte unterm
Tisch Poes Füße. »Und vermutlich blaue Schuhe, stimmt’s?«
    Poe zuckte mit den Schultern.
    »Wenn du Glück hast, sitzt du, bis du fünfzig bist, im Knast. Mit
Pech kriegst du die Todesspritze.«
    »Was auch immer.«
    »Billy, wie die Wahrheit aussieht, auf die’s ankommt, wissen wir
doch: Diesen Mann haben die eigenen Entscheidungen im Leben umgebracht. Du
hattest daran praktisch keinen Anteil. Aber du musst mir jetzt helfen.«
    »Die Gesichter konnte ich nicht sehen.«
    Harris schüttelte den Kopf. Befahl Poe, aufzustehen.
    »Werde ich jetzt eingebuchtet?«
    »Deiner Mom zuliebe lasse ich dich heute Abend gehen, damit du deine
Dinge ordnen kannst. Ich komme morgen früh vorbei und hol dich ab, bevor die
State Police es tut. Du sorgst dafür, dass diese Turnschuhe verschwinden, und
falls du die Schachtel und die Quittung auch noch hast, verbrennst du sie. Komm
bloß nicht auf Ideen. Wenn du abhaust, bist du garantiert geliefert.«
    »Okay«, sagte Poe. »Ich werde da sein.«
    »Dieser Zeuge«, sagte Harris. »Der behauptet, dass er es mit angesehen
hätte. Sag mir was zu ihm.«
    »Ich muss nach Hause«, sagte Poe. »Lässt du mir einen Tag Bedenkzeit?«
    »Haust du ab, wenn ich dich gehen lasse?«
    »Ich geh nirgendwohin.«
    Ach, was soll’s, dachte er. Und dann: Mach jetzt keinen Fehler in
der Sache. Aber noch hatten sie nichts, um Poe festzuhalten. Jedenfalls nichts,
wovon der Staatsanwalt gewusst hätte.
    »Ich würd sagen, du hast einen Tag oder zwei, bis der Haftbefehl
vorliegt. Ich komme morgen früh zu eurem Haus. Sei da, ich sag’s dir.«
    Billy nickte.
    Also, dachte Harris, als er Billy Poe zum Eingang des Reviers begleitete.
Gerade hast du dir das Leben deutlich spannender

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