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Rost

Titel: Rost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Meyer
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scheißallein im Bau?«
    Poe wusste, dass er ihn jetzt hätte schlagen sollen, aber
mittlerweilefühlte sich das wie ein Rassending an, all die anderen
Schwarzen würden sich gleich auf ihn stürzen, das stand außer Frage. Doch er
hatte keine andere Wahl. Er wollte diesen Kampf nicht, spürte, wie viel Angst
er hatte, im Leben hatte er noch nicht so wenig Lust auf einen Kampf gehabt.
    »Du weißt, ich kümmer mich um dich«, sagte der Mann und streichelte
Poes Arm sanft, auf der anderen Seite brachen alle in Gelächter aus, selbst ein
paar Weiße lachten oder grinsten, der Mann sah zu seinen Freunden rüber, sonnte
sich in seinem Ruhm. Poe nahm ihn blitzschnell in den Schwitzkasten und rollte
beide runter auf den Boden, dass der Kopf des Mannes mit der Wucht der beiden
Körper auf den Beton schlug.
    Er blieb lange genug schlaff, dass Poe ihn mit dem einen Arm fixieren
konnte und mit seiner freien Hand drauflosboxen, er wusste nicht, wie oft er
zuschlug, hatte keinen guten Hebel, aber es genügte, alle schrien, feuerten
nicht Poe an, sondern den Kampf selbst, er bäumte sich zurück und zog den Kopf
des Mannes mit, der wollte unbeholfen Poes Gesicht treffen, aber zu spät, Poes
Griff war eisenhart. Er hatte ein Gefühl, als könnte er dem Mann den Hals
brechen, falls er es wollte, er roch Schweiß und Haaröl, ihm war warm, und
jetzt kam auch die Kraft zurück, der Mann lag völlig schlaff da, lag vielleicht
schon lange so, und plötzlich kriegte Poe einen Tritt in die Rippen.
    Es war einer von den Weißen.
    »Aufstehen«, sagte er.
    Poe tat es. Eine Menge Zuschauer stand um ihn, schwarze und auch
weiße Männer, aber eindeutig mehr schwarze. Und jetzt stürzen sie sich auf
dich, dachte er, aber das hatten sie nicht vor.
    »Ein fairer Kampf«, bemerkte einer von den weißen Obermackern.
    »Scheiße, nee, der Wichser hat ihm einfach eine auf die Zwölf gegeben«,
sagte einer von der schwarzen Seite. Poe fing an zu zittern. Das war bloß
Adrenalin, er steckte schnell die Hände in die Taschen, dass es keiner sah. Das
war ein langer, ungemütlicherMoment, so rumzustehen. In ihrem
Kantinenbereich waren alle Weißen aufgestanden, bis einer der Obermacker
endlich die Entscheidung traf, ein leichtes Kopfnicken zu Poe hin, und der
wusste, dass er ihm jetzt folgen musste. Und dann überschwemmte ihn eine
Erleichterung, ein Eimer warmes Wasser, das an ihm herabfloss. Ungefähr ein
halbes Dutzend Weiße, die das Sagen hatten, strebten auf den Ausgang zu, und er
reihte sich hinter ihnen ein. Es ging den breiten Gang zwischen den
Zellenblöcken runter, bis ans Ende und dann um die Ecke, vor ihnen Metalltüren
und ein Metalldetektor, und die Männer, denen er gefolgt war, gaben ein paar
Wärtern hinter Plexiglas ein Handzeichen, die Türen sprangen auf, und plötzlich
waren alle draußen, auf dem Freiganghof im hellen Sonnenlicht, er hörte, wie
die Türen hinter ihnen zuknallten.
    Da draußen war es warm, der Himmel war sehr blau, und seine Augen
schmerzten. Seine Füße liefen über echten Erdboden. Er folgte weiterhin dem
großen Glatzkopf, bis sie bei der Hantelbank ankamen. Auch die anderen vom
Tisch waren dabei. Poes Augen hatten immer noch zu kämpfen mit dem grellen
Licht, und durch die Zäune konnte er das in die Ferne wogende Grün des Tals
sehen, nicht den Fluss selbst, aber wie das Ufer gegenüber sich erhob.
    »Wir dachten schon, du wirst gleich ausgeschaltet«, sagte einer, der
mit Glatze und dem breiten, offenen Gesicht, er zwinkerte Poe zu, das war die
erste freundliche Geste seit Tagen.
    Der Mann mit der blonden Schmalztolle, der Anführer, fügte hinzu:
»Du hast dir jedenfalls echt scheiß viel Zeit gelassen.«
    Darauf lachten alle anderen, und Poe war unsicher, was er jetzt tun
sollte.
    »Das wird schon, keine Sorge. Musst dich nicht drum kümmern,
überlass das uns«, sagte der Blonde grinsend. »Ich heiß Larry«, sagte er, »oder
auch Black Larry. Ob du mich Larry nennst oder Black Larry, ist mir
scheißegal.«
    Die anderen beiden stellten sich vor: Dwayne, der Freundlichemit
Glatze, Clovis, mit der Mütze fast über den Augen. Clovis war entschieden
massiger als Poe, er wog wahrscheinlich hundertvierzig Kilo.
    Poe warf einen Blick zurück, ob ihnen wer gefolgt war. Doch die Türen,
die ins Hauptgebäude führten, blieben weiter zu, und auf dem Freiganghof war
niemand sonst.
    »Haben diese Typen hier das Sagen?«, fragte Poe.
    »Hey Clovis«, sagte Larry, »unser junger Freund hier hat uns nicht
gefragt, ob

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