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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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und Prince' Röcheln zu übertönen, aber der rote Hengst beruhigt sich. Sean streckt die Arme aus und nähert sich ihm ganz langsam. An Corrs Unterkiefer klebt Blut; seine Lippen beben. Seine Ohren sind flach an den Kopf gelegt.
    »Halten Sie durch«, flüstere ich Prince zu. Von Nahem wirkt er nicht ganz so jung, wie ich gedacht hätte; ich sehe jedes einzelne Fält-chen um seine Augen und seinen Mund. Ich weiß nicht, ob er mich hört. Seine Fäuste krampfen sich um eine Handvoll Sand. Ich will ihn nicht berühren, aber ich strecke trotzdem den Arm aus. Als er meine Finger spürt, umklammert er meine Hand so fest, dass es wehtut.
    Sean, jetzt fast bei Corr, schüttelt im Gehen seine Jacke ab und lässt sie in den Sand fallen, dann zieht er sich auch noch das Hemd über den Kopf. Seine Haut darunter ist blass und von Narben übersät. Ich habe nie darüber nachgedacht, ob gebrochene Rippen eigentlich wieder gerade zusammenwachsen, bis jetzt. Sean raunt Corr leise, ganz leise etwas zu. Corr erschaudert und seine Augen richten sich wieder auf das Meer.
    Ich bin voll mit Prince Blut. Noch nie in meinem Leben habe ich so viel Blut gesehen. So sind meine Eltern gestorben. Ich verbiete mir, jetzt daran zu denken, aber das ist gar nicht nötig; ich kann es mir sowieso nicht vorstellen. Mein Verstand lässt diese Möglichkeit einfach nicht zu und im Moment bedaure ich das. Denn so schlimm die Vorstellung auch wäre, sie kann nicht so schrecklich sein wie die Realität von Prince' zitternder Hand, die sich an meine klammert.
    Sean nähert sich langsam Corr und redet die ganze Zeit mit derselben leisen Stimme auf ihn ein. Er ist noch drei Schritte von ihm entfernt. Zwei. Einen. Corr hebt den Kopf und tänzelt zurück, die blutigen Zähne gebleckt; er zittert genauso stark wie Prince. Sean knüllt sein Hemd zusammen und drückt es Corr auf die Nüstern. Dann wartet er einen langen Moment, während Corr nichts anderes riecht als Sean Kendrick, und wischt ihm das Blut vom Maul. Als der Hengst
    schließlich nur noch reglos dasteht, faltet Sean das Hemd so, dass die blutige Seite zum Himmel weist, und stülpt Corr den Stoff anschließend über Nase und Augen.
    »Daly«, sagt Sean. Neben ihm saugen Corrs Nüstern den Stoff nach innen, sodass sich der Umriss seines Mauls unter dem Hemd abzeichnet, und blähen ihn dann wieder auf. Einer der Männer, die mit Mutt gekommen sind, zuckt zusammen, als er seinen Namen hört. Er wirkt völlig verängstigt. Seans Blick huscht kurz zu ihm hinüber, offensichtlich enttäuscht über das, was er in Dalys Gesicht sieht, und wandert dann weiter zu mir. »Puck.«
    Ich will Prince nicht alleinlassen, solange er meine Hand so festhält, dann aber wird mir schlagartig bewusst, dass schon seit einer ganzen Weile nicht mehr er sich an meine, sondern ich mich an seine Hand klammere. Voller Entsetzen lasse ich seine Finger los und stehe auf.
    Sean deutet auf die Zügel, die lose von Corrs Zaumzeug herabbaumeln. »Die Zügel. Würdest du die kurz halten? Ich brauche ...« Der rote Hengst zittert noch immer unter der Maske, die Sean ihm übergezogen hat. Ich spüre keine Furcht – es ist, als hätte all meine Angst sich irgendwo tief in meinem Inneren verkrochen. Jemand muss das Pferd halten. Ich kann das Pferd halten. Ich wische mir die blutverschmierten Hände an meiner Hose ab und gehe los. Ich hole tief Luft und strecke die Hand aus.
    Sean drückt mir die Zügel und die Zipfel des Hemds in die Hand, ob ich bereit bin oder nicht. Aus dieser Nähe höre ich ein leichtes metallisches Klingeln, bis mir klar wird, dass es von den Glocken an Corrs Zaumzeug und seiner Fessel herrührt. Der Hengst bebt so leicht und gleichmäßig, dass die kleinen Kugeln im Inneren der Glocken surren wie metallene Grashüpfer.
    Sean überprüft noch kurz meinen Griff, dann duckt er sich mit einer geschmeidigen, zielstrebigen Bewegung unter den roten Hengst. Er zieht ein Messer aus der Tasche und lässt seine Hand an Corrs Vorderbein hinuntergleiten.
    »Ich bin hier«, murmelt er und Corrs Ohr zittert und dreht sich in die Richtung seiner Stimme.
    Sean durchtrennt geschickt jedes einzelne der roten Bänder, deren Glöckchen ein blechernes Klimpern von sich geben, als er sie verärgert hinter sich wirft. Ich zucke zusammen, als der Hengst sich bewegt. Jetzt, da seine Hufe frei sind, hebt und senkt er die Beine, als wolle er auf der Stelle traben. Sean stößt scharf die Luft aus. Er versucht, das Vorderzeug zu lösen, aber Corr

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