Rot wie das Meer
sein? Da hast du dir ja einen schönen Abend ausgesucht, um herzukommen.«
Mir wird klar, dass sie denkt, ich sei nur hier, um Fleisch zu kaufen. Ich spüre, wie meine Wangen warm werden, und bemühe mich, meine Stimme fest klingen zu lassen. »Eigentlich bin ich hier, um mich anzumelden.«
Pegs Lächeln hält stand, aber es wirkt jetzt mehr wie ein Bild, das ihr jemand ins Gesicht geklebt hat. Es scheint völlig erstarrt zu sein, obwohl ihr Blick eine gänzlich andere Sprache spricht. »Dein Bruder hat mich gebeten, deine Anmeldung nicht anzunehmen. Er wollte, dass ich irgendeine Regel finde, die dagegenspricht.«
Sie meint Gabe, natürlich. Mein Magen vollführt immer neue Kunststücke. Ich gebe mir Mühe, nicht allzu aufgebracht zu wirken, als ich mich über den blutbefleckten Tresen lehne. Und im nächsten Moment dämmert mir, dass sie von Anfang an gewusst hat, warum ich gekommen bin, und mir trotzdem diese erste Frage gestellt hat. Das heißt, ich müsste meine Meinung von ihr noch einmal gründlich überdenken, aber das kann ich nicht, weil sie immer noch ganz normal und freundlich aussieht. »Es gibt aber keine Regel, stimmt's? Es spricht nichts dagegen, dass ich mitmache.«
»Es gibt keine Regel und das habe ich ihm auch gesagt. Aber ...« Ihr Lächeln verschwindet und mit einem Mal kann ich mir sehr gut vorstellen, wie sie mir das Herz herausschneidet, kalt, erbarmungslos, und irgendetwas sagt mir, dass sie noch nicht einmal das Blut bemerken würde. »Was würden deine Eltern dazu sagen? Hast du dir das auch gut überlegt? Menschen sterben dabei, Liebes. Emanzipation ist 'ne prima Sache, aber dieses Rennen ist nichts für eine Frau.«
Aus irgendeinem Grund macht mich das wütender als alles andere, was ich mir an diesem Tag anhören musste. Was für ein Unsinn. Ich werfe ihr einen entschlossenen Blick zu, wie ich ihn vorher vor dem Spiegel geübt habe. »Ich habe es mir gut überlegt. Und ich möchte meinen Namen auf die Liste setzen lassen. Bitte.«
Sie blickt mich noch einen Herzschlag lang an und es kostet mich einige Mühe, mein Gesicht ausdruckslos zu halten. Schließlich greift sie seufzend nach der Kreide und dreht sich zur Tafel um. Sie schreibt ein P und wischt es dann mit dem Handballen wieder weg. Sie blickt sich zu mir um. »Ich habe vergessen, wie dein richtiger Vorname lautet, Liebes.«
»Kate«, sage ich und spüre plötzlich die Blicke von ganz Skarmouth in meinem Rücken. »Kate Connolly.«
Es gibt Augenblicke, an die man sich den Rest seines Lebens erinnert, und es gibt Augenblicke, von denen man denkt, dass man sich den Rest seines Lebens an sie erinnern wird, und oft sind es nicht dieselben. Doch als Peg Gratton sich wieder der Tafel zuwendet und meinen Namen auf die Liste schreibt, weiß auf schwarz, weiß ich ohne jeden Zweifel, dass ich dieses Bild nie wieder vergessen werde.
Als sie sich wieder zu mir umdreht, ist eine ihrer Augenbrauen hochgezogen. »Und der Name deines Pferds?«
»Dove«, sage ich. Das Wort kommt zu leise über meine Lippen. Ich muss es wiederholen.
Sie notiert den Namen, ohne weitere Fragen zu stellen, aber wie sollte sie auch auf die Idee kommen, dass Dove kein Capaill Uisce ist?
Ich kaue auf der Unterlippe. Peg blickt mich erwartungsvoll an.
»Das macht dann fünfzig, Puck«, sagt sie schließlich. »Anmeldegebühr.«
Mir ist ein bisschen übel, als ich in meiner Tasche nach den Münzen krame. Einen schrecklichen Moment lang fürchte ich, nicht genug dabeizuhaben, dann aber finde ich das Geld, mit dem ich eigentlich Mehl hatte kaufen wollen. Ich halte es über ihre ausgestreckte Hand, lege es jedoch nicht hinein.
»Moment«, sage ich. Ich lehne mich über den Tresen und senke die Stimme. »Gibt es, ähm, irgendwelche Regeln, was die Pferde betrifft?« Bei dem Gedanken, dass ich disqualifiziert werden könnte und dann das Geld umsonst ausgegeben hätte, wird mir schwindelig. »Über die ... ähm ...«
»Du willst ein Regelblatt?«, fragt Peg.
Sie muss erst danach suchen. Während ich warte, habe ich das Gefühl, dass jeder im Raum auf meinen Namen an der Tafel starrt. Als Peg mir schließlich ein zerknicktes Blatt Papier reicht, überfliege ich rasch erst die Vorder-, dann die Rückseite. Es enthält nur zwei Zeilen über die Pferde. Die Jockeys geben die Namen ihrer Pferde beim Skor-pio-Fest am Ende der ersten Woche bekannt. Ein Pferdewechsel ist nach diesem Termin nicht mehr gestattet.
Ich lese die Zeilen wieder und wieder, aber ich finde
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