Rot wie das Meer
sich damit auch nicht viel anstellen lassen würde; es hat die typische schmierigstumpfe Konsistenz, wie sie nur Salzwasser verursacht. Mein Herz fühlt sich bleiern in meiner Brust an. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Klopfen an der Tür etwas Gutes zu bedeuten hat.
Die Tür geht auf und davor steht Benjamin Malvern. Ich weiß, dass es Benjamin Malvern ist, weil an der Wand hinter der Bar des Black-Eyed Girl ein signiertes Foto von ihm hängt. Ich habe einmal Dad gefragt, was es damit auf sich hat, und er hat geantwortet, Benjamin Malvern habe dem Pub mit ziemlich viel Geld ausgeholfen, damit es überhaupt eröffnen konnte. Aber ich verstehe bis heute nicht, warum man sich deswegen seine Unterschrift an die Wand hängen sollte.
»Ist Gabriel Connolly da?«, fragt Malvern, während er schon die Küche betritt. Ich stehe bloß da und halte immer noch die Tür auf. Der reichste Mann von ganz Thisby steht in unserem Haus. Die Arme verschränkt, lässt er den Blick über die unaufgeräumte Arbeitsplatte und den zusammengefallenen Haufen aus Brennholz und Torf neben dem Wohnzimmerkamin wandern und schließlich bei dem Sattel verharren, den ich über die Lehne von Dads Sessel gelegt habe. Er trägt einen Wollpullover mit V-Ausschnitt und eine Krawatte. Sein Haar ist grau und besonders gut sieht er nicht aus. Dafür riecht er angenehm, was ihn mir erst recht unsympathisch macht.
Ich schließe die Tür nicht. Das würde so wirken, als hätte ich ihn hereingebeten, und das habe ich nicht.
»Im Moment nicht«, erwidere ich.
»Ah«, sagt Malvern. Er blickt sich noch immer im Haus um. »Und Sie sind seine Schwester.«
»Kate Connolly«, entgegne ich so indigniert wie nur möglich.
»Aha. Wie wär's mit einem Tee?«
Er setzt sich an unseren Tisch.
»Mr Malvern«, beginne ich störrisch.
»Gut, Sie wissen also, wer ich bin. Das spart Zeit. Wissen Sie, ich
will Ihnen ja nirgends reinreden, aber draußen ist es ziemlich kalt und eine offene Tür hält nicht besonders viel Wind ab.«
Ich schließe die Tür. Und dann meinen Mund. Etwa zu gleichen Teilen beleidigt und neugierig, fange ich an, Tee zu kochen.
»Was führt Sie zu uns?«, frage ich und stelle verärgert fest, wie höflich ich klinge.
Er hat wieder auf meinen Sattel gestarrt, doch als ich etwas sage, sieht er mich an. Sein Blick ist ein kleines bisschen einschüchternd. Der Rest von ihm sieht aus wie ein wohlhabender alter Mann, aber seine Augen wirken verschlagen.
»Eine undankbare Aufgabe.« Seine Stimme klingt jedoch freundlich.
»Ich dachte immer, für undankbare Aufgaben hätten Sie Ihre Leute«, sage ich und fühle mich unglaublich durchtrieben. »Zucker oder Milch?«
»Butter, Milch und Salz, bitte.«
Ich drehe mich zu Malvern um, um zu sehen, ob das ein Scherz sein sollte. Doch seine Miene ist ernst. Jetzt, da ich sein Gesicht genauer betrachte, bin ich mir nicht sicher, ob ich mir so etwas wie Humor überhaupt darauf vorstellen kann. Es ist eher ein Gesicht, das auf einen Geldschein passen würde. Ich reiche ihm eine Tasse Tee, einen Salzstreuer und unsere winzige Butterschale. Dann nehme ich mit dem Milchkännchen ihm gegenüber Platz und sehe zu, wie er ein kleines Stück Butter in seinen Tee gleiten lässt, eine großzügige Prise Salz hineingibt und dann Milch dazugießt, bevor er alles sorgfältig umrührt. Auf der Oberfläche bildet sich leichter Schaum. Es sieht aus wie etwas, was ich mal aus einer Kuh habe kommen sehen. Ich kann kaum glauben, dass er dieses Zeug wirklich trinken will, aber er tut es tatsächlich.
Malvern verschränkt die Finger um seine Tasse. »Ist das da draußen Ihr Pony?«
»Pferd«, korrigiere ich ihn. »Eins zweiundfünfzig Stockmaß.«
»Sie könnte mehr leisten, wenn Sie sie besser füttern würden«, erklärt Malvern. »Geben Sie ihr was anderes als dieses dürre Heu, dann bekommt sie gleich mehr Energie. Und nicht so einen Heubauch.«
Natürlich könnte sie mehr Energie haben, wenn ich sie besser füttern würde. Genauso wie ich mehr Energie haben könnte, wenn ich nicht immer nur Bohnen und Apfelkuchen essen würde, aber wir ernähren uns nun mal beide aus denselben Gründen nicht besser.
Wir trinken unseren Tee. Ich stelle mir vor, wie Finn genau jetzt nach Hause kommt und Malvern an unserem Küchentisch sitzen sieht. Verstohlen fege ich ein paar Krümel zu einer kleinen Pyramide hinter der Butterschale zusammen.
»Ihre Eltern sind also tot, ja?«, sagt Benjamin Malvern.
Ich stelle meine Teetasse
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