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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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fröhlich, »du bist ja so nutzlos wie Zitzen an 'nem Keiler. Hab dich gestern gesehen, wie du Dory Mauds Stand aufgebaut hast, Puck. Was verkauft sie denn im Moment? Kram.«
    Ich weiß nicht, wozu er mir eine Frage stellt, wenn er sie sowieso selbst beantwortet.
    Brian beugt sich zur Windschutzscheibe und mir vor und seine Stimme kommt ein bisschen näher. Sie ist schön und kräftig, genau wie seine Hand, und er spricht mit diesem alten Inselakzent, der angenehm klingt, wenn man damit übers Wetter redet oder darüber, wie viele Basstölpel man am Tag zuvor auf den Klippen gesehen hat. Als ich noch kleiner war, habe ich oft im Badezimmer gestanden, wo alle Geräusche einen anständigen Hall hatten, und versucht, ihn zu imitieren. Etwas an der Art, das R auszusprechen, ist anders, als ich es von meinen Eltern kannte. »Ich hab gehört, du reitest auch mit. Stimmt das?«
    Finn schaltet die Scheinwerfer ein, während Jonathan weiter auf ihn einschwatzt. Unter dem dünnen Wolkenschleier wird es schnell dunkel. Irgendetwas riecht verbrannt. Ich hoffe, es ist nicht der Morris.
    »Stimmt«, antworte ich.
    Brian sagt nichts, sondern gibt nur einen leisen, tonlosen Pfiff von sich, der Überraschung oder Respekt ausdrückt, dann lehnt er sich zurück. Jonathan Carroll ist inzwischen dazu übergegangen, eine Unterhaltung mit sich selbst zu führen. Alles, was er dazu braucht, ist hin und wieder ein kleines Nicken von Finn als Ermutigung. Ich bin noch nicht mal sicher, ob Finn überhaupt nickt; vielleicht sind es auch nur die Schlaglöcher in der Straße. Als wir die höchste Stelle der Straße erreichen, hält jedoch sogar Jonathan den Mund. Von hier aus kann man ein paar Sekunden lang das Meer sehen. Grau und endlos liegt es da, unter einem ebenso endlosen Himmel, und selbst aus dieser Entfernung erkenne ich, wie die Wellen aneinander zerren. Hier bei uns regnet es häufig und wir bekommen oft Stürme, aber unser Wetter neigt nicht zum Extremen. Trotzdem, etwas an der weißen Gischt, die sich schäumend gegen die Felsen wirft, ist beunruhigend.
    »Hey ho!«, sagt Jonathan wieder. »Guckt mal! Guckt mal, da! Ein Kopf!«
    Widerstrebend sehen wir alle hin. Das Wasser verändert seine Farbe, schwarz, dann graublau, dann wieder schwarz, darauf ein weißer Rüschenkragen aus Schaum, und plötzlich, inmitten der Gischt, sehen wir ihn. Ein dunkler Pferdekopf schnellt aus dem Wasser, das Maul weit aufgerissen. Und dann, bevor die See das erste Tier wieder verschlucken kann, durchbricht eine fuchsrote Mähne die Oberfläche, gefolgt von einem Stück braunen Rückens, der gleich daneben durch die Fluten lugt. Im nächsten Moment sind sie alle wieder im Wasser verschwunden und ich spüre, wie mir eine Gänsehaut über die Arme kriecht.
    »Eine gute Nacht, um an Land zu bleiben«, bemerkt Brian Carroll. Nicht so arglos, wie sein Bruder es gesagt hätte. Ich denke an den Fischgeruch, den er mit ins Auto gebracht hat, und die nüchterne Art, wie er mich gefragt hat, ob ich das Rennen reite. Ein Unterfangen, das jemandem, der im November zum Fischen raus aufs Meer fahren muss, nicht ganz so unglaublich mutig erscheinen dürfte.
    »Wenn ich eins fangen sollte, würde ich den Fuchs nehmen«, sagt Jonathan. »Die Roten gewinnen immer.«
    »Du meinst, Sean Kendrick gewinnt immer«, wendet Brian ein.
    Jonathan rutscht auf seinem Sitz herum. »Ich meine nur, die Roten sehen irgendwie schneller aus.«
    »Und ich meine, Sean Kendrick lässt sie so wirken«, sagt Brian. »Hast du ihn mal kennengelernt, Kate?«
    Finn blickt amüsiert, als er meinen richtigen Namen hört, wahrscheinlich weil er mich aus Brians Mund erwachsener wirken lässt, als ich bin.
    »Ja«, murmele ich. Seit unserem Rennen habe ich ihn noch zweimal gesehen, aber er hat nie den Eindruck gemacht, als wolle er besonders gern mit mir reden. Eigentlich eher im Gegenteil. Er ist auch nicht unbedingt der »Hey ho!«-Typ.
    »Merkwürdiger Kerl«, sagt Jonathan.
    »Nur ein Wasserpferd selbst kennt die Capaill Uisce besser als er.« Brian Carrolls Stimme klingt ehrfürchtig. »Im Moment ist man gut dran, wenn man ihn zum Freund hat, Kate. Aber das weißt du wahrscheinlich schon.«
    Alles, was ich über Sean Kendrick weiß, ist, dass er die braune Stute geritten hat und erst abgesprungen ist, als sie schon beinahe über die Klippe war, und dass selbst Tote mehr reden als er.
    »Also, ich würde auf dich setzen«, verkündet Jonathan großzügig, »wenn ich nicht schon auf ihn setzen

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