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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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menschlich und pferdeartig zugleich ist, und ich drehe mich um. Die Pferdegöttin steht direkt vor mir, nur Zentimeter von mir entfernt. Sie hat ihren riesigen, alten grauen Kopf gedreht, sodass das linke Auge mich zu fixieren scheint, wie Corr es mit seinem einen schlechten Auge getan hätte. Nur dass dieses Pferd anstelle eines Auges ein glänzend poliertes Stück Schiefer hat, das zu blinzeln und zu tränen scheint wie das der Scheckstute. So dicht vor ihr kann ich die Schlieren dunkleren Rots in der Tunika der Frau sehen, wo der Stoff Falten wirft, in denen sich das Blut gesammelt hat. Das Kostüm sieht schauerlich aus: Selbst aus der Nähe ist es unmöglich zu sagen, wo die Frau aufhört und der falsche Kopf anfängt, genauso wie es unmöglich ist zu sagen, wie sie überhaupt sehen kann. Ich bilde mir ein, dass heißer Atem aus ihren schnaubenden Nüstern mein Gesicht streift. Mein Herz schlägt schneller.
    Ich bin wieder ein kleiner Junge, der beobachtet, wie ihre Hand sich öffnet und den Blick auf Kieselsteine und Sand freigibt. Die Insel, der Strand, mein ganzes Leben erstrecken sich vor mir.
    Die Pferdegöttin fasst mich beim Kinn. Ihr Schieferauge starrt mich an. Alter hat das Fell ringsum verfilzen lassen, zu viel Zeit ist vergangen seit dem Tod.
    »Sean Kendrick«, sagt sie und ihre Stimme klingt heiser, kaum menschlich. Ich kann das Meer darin hören. »Ist dein Wunsch in Erfüllung gegangen?«
    Ich kann den Blick nicht von ihr wenden. »Ja. Schon viele Male.«
    Der Schiefer funkelt und blinkt.
    Die Stimme überrascht mich ein weiteres Mal. »Hat er dich glücklich gemacht?«
    Dies ist keine Frage, die ich mir normalerweise stellen würde. Ich bin nicht unglücklich. Glück ist auf dieser Insel nicht selbstverständlich; der Boden ist zu felsig und die Sonne ein zu seltener Gast, um es gedeihen zu lassen. »Ich denke schon.«
    Ihre Finger graben sich in meinen Kiefer. Ich rieche Blut und erst jetzt sehe ich, dass etwas von dem frischen Blut ihres triefenden Gewands auf ihre Hände getropft ist.
    »Das Meer kennt deinen Namen, Sean Kendrick«, sagt sie. »Sprich einen neuen Wunsch aus.«
    Sie hebt den Arm und fährt mir mit ihrem Handrücken über beide Wangenknochen.
    Dann wendet sich die Göttin von mir ab, um den Trommlern zu folgen, nichts als eine Frau mit dem Kopf eines toten Pferds. In meinem Inneren aber bleibt Leere zurück und zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das Gefühl, dass das Rennen zu gewinnen nicht genug ist.
    Ich bekomme die Pferdegöttin einfach nicht aus meinem Kopf: den Klang ihrer Stimme, das eingebildete Gefühl ihres Atems auf meiner Haut. Meine Kehle brennt, als hätte ich Salzwasser geschluckt. Ich treibe durch die Menschenmassen, fort von meiner Begegnung mit der Pferdegöttin und zurück in die Wirklichkeit. Ich versuche, mich in der realen Welt zu verankern, indem ich mich auf die vollkommen banale Sache konzentriere, die ich bei Gratton zu erledigen habe. Ich muss meine Schulden begleichen und eine weitere Bestellung für die Wasserpferde aufgeben. Doch meine Gedanken kreisen unermüdlich um die Frau mit dem Pferdekopf, als würde mir auf diese Weise doch noch einfallen, wessen Hände es waren. Wenn ich sie nur einordnen könnte, dann würde das die Leere in meinem Inneren füllen. Das
    Ganze könnte wieder ein Spiel sein, wenn ich nur wüsste, wessen Stimme ich gehört habe, heiser aus dem Inneren des Totenschädels. Ich überlege, ob es Peg Gratton gewesen sein könnte, die es gewohnt ist, Blut an den Händen zu haben, und die selbst mit einem Pferdekopf auf den Schultern nicht größer wäre als ich.
    Ich dränge mich in die Fleischerei. Wie immer ist sie der sauberste Ort von ganz Skarmouth und in grelles, fast taghelles Weiß getaucht. Zwei Vögel sind irgendwie ins Haus gelangt, und als ich mich weiterdrängele, scheinen die Glühbirnen zu flackern, wenn sie an ihnen vorbeiflattern.
    Ich sehe Peg Gratton nirgends hinter der Theke, also könnte sie es tatsächlich gewesen sein. Ich fühle mich leichter. Weniger heimgesucht.
    Ich stelle mich an den Tresen und Beech Gratton nimmt mürrisch meine Bestellung auf. Er hat nichts gegen mich persönlich, nur gegen diesen Job, der ihn zwingt, hier drinnen zu bleiben, obwohl er viel lieber draußen feiern würde.
    »Was für eine Fratze, Mann«, grunzt Beech anerkennend und ich denke an die Frau, die mir das Blut ins Gesicht geschmiert hat. »Du siehst ja aus wie der Teufel persönlich.«
    Ich antworte nicht.
    »In zwanzig

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