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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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irgendeinem Grund funktionieren Komplimente bei Finn nicht.
    »Schon in Ordnung«, sage ich. »Gut gemacht.«
    »Das einzige Problem«, nuschelt Finn, während er sich die Finger ableckt, »ist, wie wir jetzt wieder nach Hause kommen.«
    »Wenn ich irgendwie diese Parade überlebe«, entgegne ich, »fliege ich uns nach Hause.«

30
    Sean Die Skorpio-Trommeln donnern einen aufgeregten Herzschlag, als ich mir einen Weg durch die Menschenmenge in den Straßen von Skarmouth bahne. Die kalte Luft brennt in meinen Lungen; der Wind trägt alle möglichen fremdartigen Gerüche mit sich. Essen, das es nur zur Zeit des Rennens gibt. Parfüm, das nur die Frauen vom Festland tragen. Heißes Pech, brennender Müll, vergossenes Bier auf Pflastersteinen. Dieses Skarmouth ist wild und gierig, voller Energie und unberechenbar. Jede Art von Gefühlen, die das Rennen in mir auslöst, scheint heute aus allen Ritzen der Straße an die Oberfläche zu quellen.
    Vor mir drängen sich Leute unsanft durch Trauben von Touristen, die langsam vom Alkohol und laut vor Aufregung sind. Aber wenn man nur entschlossen genug auf sie zumarschiert, machen selbst die rettungslos Betrunkenen für einen Platz. Ich schlängele mich durch die Menge in Richtung der Fleischerei, die Augen überall. Ich halte Ausschau nach Mutt Malvern. Solange ich nicht weiß, was er an diesem Abend wieder ausheckt, will ich lieber sehen als gesehen werden.
    Sean Kendrick. Ich höre meinen Namen, geflüstert, dann gerufen, doch ich gehe weiter. Heute Abend sind viele Leute hier, die mein Gesicht kennen.
    Ich blicke an den Menschen vorbei auf die Stadt ringsum. Die Pflastersteine scheinen golden und rot im Licht der Straßenlaternen, die Schatten schwarz und braun und dunkelblau, alle Farben der Novembersee. Fahrräder lehnen an den Mauern, als hätte eine große Welle
    sie angespült und sich dann wieder zurückgezogen. Mädchen drängeln sich an mir vorbei und die Glöckchen, die sie sich um die Fußknöchel gebunden haben, klingeln bei jedem Schritt. Aus einer Seitenstraße dringt Feuerschein, die Flammen züngeln aus einer Tonne, um die sich ein paar Jungen versammelt haben. Ich betrachte Skarmouth und es erwidert meinen Blick voller Wildheit.
    An einer der Wände hängt ein Werbeplakat des Malvern-Hofs. VIERFACHER SKORPIO-GEWINNER, verkündet es. WERDEN AUCH SIE EIN TEIL DES RENNENS – JUNGPFERDEAUKTION AM DONNERSTAG, 7 UHR.
    Es ist in jeder Hinsicht mein Verdienst, das hier auf diesem Plakat angepriesen wird, aber mein Name wird nirgends erwähnt.
    Ich muss anhalten und die Trommler vorbeilassen, als sie aus einer Seitenstraße gerumpelt kommen, die hinunter zum Wasser führt. Es sind vierzehn Mann, denen man eher ihren Enthusiasmus zugutehalten kann als ihr Talent. Sie sind alle in Schwarz gekleidet. Die Skorpio-Trommeln sind so groß, dass ich sie mit beiden Armen nicht umfassen könnte, die Felle aus blutbeflecktem Leder gefertigt. Sie wummern und geben meinem Puls einen neuen Takt vor. Den Trommlern folgt eine Frau, die einen Pferdekopf und eine blutrote Tunika trägt. Auf ihrer Rückseite peitscht ein Schweif und es ist schwer zu sagen, ob er echt ist oder aus Stricken oder Tierhaar gemacht. Wie es die Tradition verlangt, ist sie barfuß. Es ist unmöglich zu erkennen, wer sie ist.
    Die Trommeln poltern vorbei und wir pressen uns gegen die Wand, um für sie Platz zu machen. Ein paar der Touristen klatschen im Takt. Die Einheimischen stampfen. Die Pferdegöttin lässt ihren Blick träge über die Menge schweifen und unter dem klobigen Pferdekopf wirkt ihr Körper zwergenhaft klein. Ich sehe, wie einige Leute ein Kreuzzeichen in die Luft malen und dann noch eins, rückwärts. In der Mitte der Straße hebt die pferdeköpfige Göttin die Hand und tausend winzige Kieselsteinchen regnen auf die Straße. Der Tradition getreu wird sie im Laufe des Abends eine einzige Muschelschale werfen, und wer diese Muschelschale findet, hat einen Wunsch frei.
    Dieses Mal hat sie nur Sand in der Hand.
    In einer solchen Nacht, vor vielen Jahren, stand ich neben meinem Vater, als sie mich ansah und ihre Handvoll Sand und Kieselsteine warf, und plötzlich purzelte die Muschel auf mich zu. Ich ließ meinen Vater los, um die Muschel aufzuheben. Meinen Wunsch wusste ich schon, bevor ich auch nur die Hand um die Muschel schließen konnte.
    Ich wende mein Gesicht ab und warte, dass die Frau vorbeigeht, dass die Erinnerung verblasst.
    Neben mir stößt jemand den Atem aus, ein Laut, der

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