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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Ich gehöre Malvern. Sie nicht.«
    »Also geht es um Freiheit.«
    Ich drehe mich um und sehe ihn an. Holly steht da, ein Stück unter mir auf dem Pfad, blickt zu mir hoch und wirkt dabei unglaublich gepflegt und ordentlich mit seinem sauberen Pullover und der gebügelten Hose. Sein Gesichtsausdruck aber ist alles andere als oberfläch-
    lich. Ich glaube immer noch nicht, dass George Holly, der unbekümmerte amerikanische Großkunde, jemals etwas anderes war als George Holly, der unbekümmerte amerikanische Großkunde, aber zum ersten Mal denke ich nicht daran. Ich glaube, er versteht mich voll und ganz.
    »Warum kaufen Sie ihm Corr dann nicht ab?«
    Mein Mund verzieht sich zu einem dünnen Lächeln.
    »Liegt es am Geld?« Holly liest in meinem Gesicht. »Ach so, er will ihn wohl nicht verkaufen. Haben Sie denn nicht irgendein Druckmittel? Er ist doch bestimmt auch noch in anderer Hinsicht auf Sie angewiesen als nur der, dass Sie für ihn das Rennen gewinnen. Ach, entschuldigen Sie. Ich wollte nicht taktlos sein. Das geht mich auch gar nichts an. Lassen Sie uns gehen. Und vergessen Sie einfach, was ich gesagt habe.«
    Aber er hat es gesagt und das lässt sich nicht wieder rückgängig machen. In Wahrheit sieht es so aus: Elf Monate des Jahres bezahlt Malvern mich für das, was ich tue, und dann, für einen einzigen Monat, ist das, was ich tue, unbezahlbar. Wäre er bereit, diesen einen Monat aufzugeben, um die anderen elf zu behalten? Wäre ich bereit, es zu riskieren?
    Wir erreichen wieder die Anhöhe; Holly eine weiße Gestalt vor all dem Grün, ich eine schwarze. Ich klopfe die Eimer aus, froh, ihren Inhalt endlich los zu sein, und Holly beobachtet schweigend, wie ich eine Handvoll saubere Erde aufhebe und ihr etwas zuflüstere, bevor ich sie zurück auf den Boden streue.
    »Zauberei«, sagt Holly.
    »Ist eine Trense Zauberei?«, entgegne ich.
    »Ich weiß nur eins: Wenn ich einem Haufen Erde etwas zuflüstere, dann ist das eine ziemlich einseitige Unterhaltung.«
    Er sieht mir dabei zu, wie ich die Prozedur auf den anderen beiden Pfaden, die vom Strand heraufführen, wiederhole. Er fragt nicht, wie es funktioniert, und ich erkläre es ihm auch nicht, und erst als wir uns wieder auf den Rückweg machen und ich das Gefühl habe, dass das
    Schweigen für ihn nun zu lang wird, fordere ich ihn auf: »Sie können ruhig sagen, was Sie denken.«
    »Nein, das kann ich nicht«, erwidert George Holly prompt, als wäre er dankbar für die Einladung zu sprechen. »Weil mich das auch nichts angeht. Und nachdem ich eben schon kurz davor war, meine Nase in anderer Leute Angelegenheiten zu stecken, lasse ich es lieber bleiben.«
    Ich hebe eine Augenbraue.
    Holly reibt seine Hände aneinander, als wären sie mit etwas Schmutzigerem als dem Wasser aus dem Felsbecken am Strand in Berührung gekommen. »Na schön, also: Was läuft da zwischen Ihnen und diesem Mädchen? Kate Connolly, oder?«
    Ich stoße die Luft aus, nehme meine Eimer und marschiere die Straße hinauf in Richtung Stall.
    Holly ruft mir hinterher: »Wenn Sie meinen, dass Sie mich durch hartnäckiges Schweigen davon überzeugen können, dass da nichts ist, glauben Sie mir, das funktioniert nicht.«
    »Das ist nicht der Grund, warum ich nicht antworte«, erwidere ich, als er wieder zu mir aufholt. »Ich sage ja gar nicht, dass da nichts ist. Ich weiß einfach bloß nicht, was.«
    Ich sehe sie vor mir, wie sie neben Peg Gratton auf dem Felsen steht und keinen Millimeter vor Eaton und den anderen Rennveranstaltern zurückweicht. Ich weiß nicht, ob ich jemals so mutig gewesen bin, und dafür schäme ich mich. Auf irgendeine Art fühle ich mich von ihr angezogen und zur gleichen Zeit abgestoßen: Sie ist einerseits wie ein Spiegel meiner selbst und andererseits das Tor zu einem Teil dieser Insel, der ich nie war. Es ist wie in dem Moment, als mir die Pferdegöttin in die Augen gesehen hat; ich habe das Gefühl, dass irgendwo tief in mir etwas schlummert, was ich noch gar nicht kenne.
    »Ich kann Ihnen sagen, wie wir in Amerika das nennen«, bietet George Holly an, »aber es kann sein, dass Ihnen das nicht gefällt.«
    Ich werfe ihm einen finsteren Blick zu und George Holly lacht amüsiert auf.
    »Hier zahlt sich wirklich jeder einzelne Tag aus, den ich von zu
    Hause weg bin«, sagt er dann. »Heißt das also, ich sollte auf sie setzen?«
    »Sie sollten Ihr Geld lieber für Heu sparen«, brumme ich zurück. »Das wird ein langer Winter.«
    »Nicht in Kalifornien«, entgegnet

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