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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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»Sean Kendrick!«
    Mit meiner freien Hand lange ich nach oben und schnappe mir die Gerte aus seiner Hand. Ich habe Mettle noch nicht einmal damit berührt, doch sie beginnt schon um mich herumzutänzeln, während ich ihre Zügel halte. »Malvern sieht dir zu. Lass sie noch mal laufen und fordere sie diesmal richtig. Sie veräppelt dich.«
    »Ich hab sie doch schon angetrieben wie verrückt«, beharrt Barnes.
    Ich berühre Mettle ganz leicht mit der Gerte an der Hinterhand und sie macht einen Satz vorwärts, als hätte ich sie geschlagen. Sie kennt meine Stimme und spürt meine Entschlossenheit. »Kann schon sein. Aber sie hat es dir nicht abgenommen, genauso wenig wie ich. Hier, nimm.«
    Barnes greift nach der Gerte und nimmt die Zügel wieder auf. Mettle zittert nun vor Eifer und nur meine Hand an ihrem Zaumzeug hält sie noch. Barnes blickt zu mir herunter und ich sehe ihm an, dass er Angst vor ihrer Kraft, vor ihrer Schnelligkeit hat. Daran sollte er sich wohl besser schleunigst gewöhnen.
    Ich lasse ihr Zaumzeug los, hebe die andere Hand, als hielte ich noch immer die Gerte darin, und Mettle sprengt davon, die Galoppbahn hinunter. Ich beobachte sie eine Weile, um zu sehen, wie Barnes zurechtkommt – trotz seiner Furcht schlägt er sich ganz ordentlich –und ob Mettle weiter durchhält. Bei mir wäre sie besser gelaufen, aber immerhin strengt sie sich jetzt an.
    Ich gehe zurück zum Geländer und ducke mich darunter hindurch. Malverns Augen liegen auf Mettle und er kratzt sich am Kinn; ich höre das Geräusch seiner Fingernägel auf seiner Haut.
    Ich stecke die Hände in die Taschen. Ich brauche keine Stoppuhr, um zu wissen, dass Mettle ihre Zeit um Längen verbessert hat. Für
    einen Moment schweige ich und suche nach etwas, das dem, was ich als Nächstes sagen werde, Gewicht verleiht. Aber mir bleibt nichts anderes übrig, als es einfach auszusprechen. »Ich möchte Ihnen Corr abkaufen.«
    Benjamin Malvern wirft mir einen Blick zu, der allerhöchstens leicht verärgert ist, und wendet sich dann wieder der Bahn zu. Er hebt eine Stoppuhr, die er die ganze Zeit schon in der Hand gehabt haben muss, und drückt einen Knopf, als Mettle das Ende der Bahn erreicht.
    »Mr Malvern«, sage ich.
    »Ich führe Gespräche nicht gern zweimal. Ich habe Ihnen schon vor Jahren gesagt, dass er nicht zu verkaufen ist, und das kann ich nur wiederholen. Nehmen Sie es nicht persönlich.«
    Ich kenne natürlich seine Gründe, warum er Corr nicht abgeben will. Ihn zu verkaufen, würde bedeuten, einen starken Skorpio-Kan-didaten zu verlieren. Ihn zu verkaufen, würde bedeuten, das größte Aushängeschild zu verlieren, das sein Hof hat.
    »Ich verstehe, warum Sie ihn nicht verkaufen wollen«, entgegne ich. »Aber vielleicht haben Sie ja nicht vergessen, was es heißt, für jemand anderen zu reiten und kein Pferd zu haben, das man sein Eigen nennen kann.«
    Malvern blickt stirnrunzelnd auf seine Stoppuhr; nicht weil Mettle langsam war, im Gegenteil.
    »Wie ich bereits sagte, ich verkaufe Ihnen gern jedes andere Vollblut.«
    »Ich habe keins der Vollblüter so geformt wie ihn. Ich habe sie nicht zu dem gemacht, was sie sind.«
    Malvern erwidert: »Sie haben sie alle zu dem gemacht, was sie sind.«
    Ich blicke ihn nicht an. »Aber keins von ihnen hat mich zu dem gemacht, was ich bin.«
    Das ist ein gewaltiges Geständnis. Ich habe vor Malvern mein Herz von innen nach außen gestülpt, um ihm zu zeigen, wie es darin aus-
    sieht. Ich bin mit Corr zusammen herangewachsen. Mein Vater hat ihn geritten und mein Vater hat ihn verloren. Und dann habe ich ihn wiedergefunden. Er ist die einzige Familie, die ich habe.
    Benjamin Malvern reibt sich mit seinem riesigen Daumen übers Kinn und einen Moment lang habe ich das Gefühl, dass er tatsächlich darüber nachdenkt. Dann aber sagt er: »Suchen Sie sich ein anderes Pferd aus.«
    »Ich trainiere die anderen weiter. Ansonsten wird sich nichts ändern.«
    »Suchen Sie sich ein anderes Pferd aus, Mr Kendrick.«
    »Ich will kein anderes Pferd«, sage ich. »Ich will Corr.«
    Er sieht mich noch immer nicht an. Wenn er mich ansehen würde, da bin ich mir sicher, hätte ich gewonnen. Das Blut rauscht mir in den Ohren.
    Malvern sagt: »Ich werde diese Diskussion nicht noch einmal führen. Er ist nicht zu verkaufen.«
    Während Malvern zusieht, wie das nächste Pferd auf die Bahn geführt wird, balle ich in meinen Taschen die Hände zu Fäusten und denke an Kate Connolly, die bei der Parade der Reiter nicht

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