Rot wie die Liebe
versteht das nicht, und sie versteht auch dich nicht. Du willst nicht nur Vergeltung, sondern etwas abschließen.« Als er schwieg, fuhr sie fort: »Findest du es seltsam, dass ich dich besser verstehe als sie?
Dass ich dich besser kenne, als sie es jemals vermag?«
»Ich glaube, dein Verstand arbeitet unablässig«, erwiderte er. »Ich höre ihn förmlich rattern. Es überrascht mich kaum, dass du in letzter Zeit nicht gut schläfst, bei all dem Lärm in deinem Kopf.«
»Ich habe Angst.« Er kniff die Augen zusammen, aber sie wandte den Blick ab.
»Angst zu sterben, bevor ich wirklich gelebt habe. Angst, meinem Volk, meiner Familie, euch und den anderen gegenüber zu versagen. Wenn ich so wie heute Nacht diese Kälte und Dunkelheit spüre, weiß ich, was aus Geall würde, wenn sie die Schlacht gewinnt. Es wäre leer und schwarz, verbrannt und öde. Und der Gedanke macht mir solche Angst, dass ich nicht schlafen kann.«
»Dann muss die Antwort lauten, dass sie nicht siegen darf.«
»Ja, das muss die Antwort sein.« Sie stellte den Becher mit Whiskey beiseite. »Du musst es auch Glenna erzählen. Zwischen uns darf es keine Geheimnisse geben.«
»Wenn ich es ihr nicht erzähle, wirst du es tun.«
»Natürlich. Aber es sollte trotzdem von dir kommen. Und du darfst gerne jedes der Instrumente spielen, wann immer du möchtest. Du kannst sie auch mit auf dein Zimmer nehmen, wenn du dabei lieber allein wärst.«
»Danke.«
Lächelnd erhob sie sich. »Ich glaube, ich kann jetzt ein bisschen schlafen. Gute Nacht.«
Sie nahm ihre Kerze und ging hinaus. Und er blieb noch Stunden in dem vom Kaminfeuer erhellten Raum sitzen.
In der frühen, regengrauen Dämmerung stand Moira bei Tynan, der mit einigen handverlesenen Soldaten zum Abmarsch bereit war.
»Ihr werdet ganz schön nass werden.«
Tynan lächelte sie an. »Regen ist gut für die Seele.«
»Dann müssen nach diesen letzten Tagen unsere Seelen ja äußerst gesund sein. In diesem Regen können sie unterwegs sein, Tynan.« Sie fuhr mit dem Finger leicht über das Kreuz, das auf seinem Brustpanzer aufgemalt war. »Ich habe schon überlegt, ob wir nicht lieber warten sollten, bis es aufklart.«
Tynan schüttelte den Kopf. »Mylady, die Männer sind bereit. Weiteres Zuwarten würde nur die Moral schwächen und an ihren Nerven zerren. Sie brauchen Bewegung, und wenn es nur ein langer Tagesmarsch im Regen ist. Wir sind ja kampferprobt«, fuhr er fort, bevor sie noch etwas einwenden konnte. »Wir wissen, was zu tun ist, wenn die Vampire uns angreifen.«
»Ja, das weiß ich.« Sie musste einfach darauf vertrauen. Sie kannte Tynan schon ihr ganzes Leben lang, und wen sollten sie als Ersten losschicken, wenn nicht ihn?
»Larkin und die anderen warten auf euch. Sie werden kurz nach Sonnenuntergang zurückkehren, um mir zu berichten, dass ihr sicher angekommen seid und den Posten übernommen habt.«
»Darauf und auch auf mich könnt Ihr Euch verlassen, Mylady.« Er ergriff ihre Hände.
Weil sie Freunde waren und weil er der Erste war, den sie losschickte, stellte sie sich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen. »Ich verlasse mich auf dich.« Sie drückte ihm die Hand. »Pass auf, dass meine Vettern nicht in Schwierigkeiten geraten.«
»Das, Mylady, gelingt mir möglicherweise nicht.« Sein Blick glitt zu Cian und Glenna, die hinter Moira standen.
»Ein nasser Tag zum Marschieren«, erklärte Cian. »Sie haben vermutlich Truppen entlang der Strecke postiert, um euch ein wenig Training zu verschaffen.«
»Das hoffen meine Männer.« Tynan blickte zu den fast hundert Männern, die sich gerade von ihren Familien und Liebsten verabschiedeten, dann drehte er sich wieder zu Cian um. »Sind wir denn gut genug?«
»Angemessen, würde ich sagen.«
Bevor Moira ihn wegen der Bosheit zurechtweisen konnte, brach Tynan in lautes Lachen aus. »Ein großes Lob von Euch« sagte er und schüttelte Cian die Hand.
»Danke für den Unterricht und die blauen Flecken.«
»Nutzt sie gut. Slán leat.«
»Slán agat.« Er grinste Glenna verschmitzt an, als er auf sein Pferd stieg. »Ich schicke Euren Mann zu Euch zurück, Mylady.«
»Ja, tu das. Sei gesegnet, Tynan.«
»In Eurem Namen, Majestät«, sagte er zu Moira. Dann trieb er sein Pferd an. »Stellt euch auf!«
Moira beobachtete, wie die Männer Reihen bildeten. Ihr Vetter Oran und zwei weitere Offiziere führten die Fußtruppen an, die als Erste in den Krieg ausrückten.
»Es beginnt«, murmelte sie. »Mögen die Götter
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