Rot wie die Liebe
widersprach, was sie in seiner Bibliothek gelesen hatte.
»Ich habe mich immer gefragt, was hinter dem Meer liegt.« Sie stützte ihr Kinn in die Hand, während Cian Wein nachschenkte. »Andere Länder, andere Kulturen. Wir haben früher anscheinend einmal zu Irland gehört, und deshalb gibt es vielleicht Teile von Italien und Amerika, Russland, all diese wundersamen Orte, in dieser Welt auch.
Eines Tages … Ich möchte gerne einen Elefanten sehen.«
»Einen Elefanten.«
Sie lachte. »Jawohl, einen Elefanten. Und Zebras und Kängurus. Ich möchte auch gerne die Gemälde von den Künstlern sehen, die du gesehen hast und die ich in deinen Büchern gefunden habe. Michelangelo und da Vinci, van Gogh, Monet, Beethoven.«
»Beethoven war ein Komponist. Ich glaube nicht, dass er malen konnte.«
»Ja, klar, das stimmt. Die Mondschein-Sonate und all diese Symphonien mit Zahlen.
Der Wein bringt mich ein bisschen durcheinander. Ich möchte eine Violine und ein Klavier sehen. Und eine elektrische Gitarre. Spielst du diese Instrumente?«
»Es ist eher eine wenig bekannte Tatsache, dass es ursprünglich sechs Beatles gegeben hat. Aber mach dir nichts draus.«
»Ja, ich weiß. John, Paul, George und Ringo.«
»Du hast ein Gedächtnis wie der Elefant, den du gerne sehen möchtest.«
»Solange du dich an mich erinnerst, gehört es dir. Ich werde wahrscheinlich nie im Leben einen Elefanten sehen, aber eines Tages werde ich Orangenbäume haben. Die Samen gedeihen im Treibhaus gut.« Sie hielt Daumen und Zeigefinger nahe zusammen. »So viel Grün kommt schon aus der Erde. Glenna hat mir gesagt, die Blüten duften.«
»Ja, das stimmt.«
»Und ich habe auch noch andere Dinge mitgenommen.«
Ihr Geständnis amüsierte ihn. »Ah, du hast also lange Finger gemacht.«
»Ich habe mir gedacht, wenn sie nicht nach Geall sollen, kommen sie auch nicht mit.
Ich habe einen Schössling von deinen Rosen mitgenommen. Na gut, drei Schösslinge.
Ich war gierig. Und eine Fotografie, die Glenna von Larkin und mir gemacht hat. Und ein Buch, ich muss gestehen, ich habe ein Buch direkt aus deiner Bibliothek mitgenommen. Ich bin eine Diebin.«
»Welches Buch?«
»Gedichte von Yeats. Ich wollte es vor allem, weil darin stand, dass er Ire war, und es erschien mir wichtig, etwas mitzubringen, das ein Ire geschrieben hat.«
Weil du Ire warst, dachte sie. Weil das Buch dir gehört hat.
»Und die Gedichte waren so schön«, fuhr sie fort. »Ich habe mir gesagt, dass ich es dir zurückgebe, wenn ich sie abgeschrieben habe, aber das stimmt nicht, ich behalte es nämlich.«
Lachend schüttelte er den Kopf. »Betrachte es als Geschenk.«
»Danke, aber ich bezahle es nur zu gerne.« Sie stand auf und trat zu ihm. »Und du darfst den Preis bestimmen.« Sie setzte sich auf seinen Schoß und schlang die Arme um seinen Hals. »Dein Yeats hat etwas geschrieben, bei dem ich an dich denken musste, und vor allem heute Nacht. Er hat geschrieben: ›Ich habe die Träume gebreitet zu deinen Füßen. Tritt sanft, denn du trittst auf meine Träume.‹«
Sie fuhr ihm mit den Fingern durch die Haare. »Du kannst mir deine Träume geben, Cian. Ich werde sanft sein.«
Gerührt legte er seine Wange an ihre. »Du bist etwas ganz Besonderes.«
»Mit dir bin ich mehr, als ich jemals war. Willst du ein wenig mit mir hinausgehen und auf dem Balkon stehen? Ich möchte gerne den Mond und die Sterne anschauen.«
Er erhob sich, aber als er sich zur Balkontür wandte, zog sie ihn zurück. »Nein, im Schlafzimmer.«
Er dachte an ihre Mutter, an das, was sie gesehen hatte. »Bist du sicher?«
»Ja. Ich habe heute alleine dort draußen gestanden. Und jetzt in der Nacht möchte ich mit dir dort stehen. Ich möchte, dass du mich dort küsst, damit ich mich mein ganzes Leben lang daran erinnere.«
»Du musst dir einen Umhang umlegen. Es ist kalt.«
»Geallische Frauen sind hart im Nehmen.«
Und als sie ihn an der Hand mit sich zog und die Balkontüren im Schlafzimmer öffnete, dachte er, ja. Ja, das war sie wirklich.
14
Er küsste sie auf dem Balkon, und sie würde sich immer daran erinnern. An die leise Musik der Nacht, die kühle Luft und an seinen geschickten Mund.
Heute Nacht wollte sie nicht an den Sonnenaufgang und die Pflichten, die er mit sich brachte, denken. Diese Nacht gehörte ihm, allein ihm und ihr.
»Du hast schon viele Frauen geküsst.«
Lächelnd streifte er mit seinen Lippen ihren Mund. »Ja.«
»Hunderte.«
»Mindestens.«
Sie kniff die Augen
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