Rot wie die Liebe
blickte sie Cian an. »Bist du in Stimmung?«
»Immer.«
»Ich hätte sagen sollen, in schlechter Stimmung, aber darauf hätte die Antwort wahrscheinlich auch ›immer‹ gelautet. Ich hatte gehofft, dass du mit mir zu Abend isst.
Nur wir zwei. Und ich hatte gehofft, dass du heute Nacht bei mir bleibst.«
»Und wenn ich schlechte Laune habe?«
»Dann wird sie vielleicht durch Essen und Wein so weit gemildert, dass du dich doch zu mir legst und bei mir bleibst. Wir können uns allerdings auch beim Essen streiten und dann zu Bett gehen.«
»Ich müsste schon vom Pferd gestürzt sein und mir einen Hirnschaden zugezogen haben, wenn ich dieses Angebot ablehnen würde.«
»Gut. Ich bin hungrig.«
Und wütend, dachte er amüsiert. »Warum hältst du mir nicht endlich deinen Vortrag? Du erstickst sonst daran.«
»Es gibt keinen Vortrag, das ist nicht meine Art.« Wie eine Königin, fand er, ging sie über den Hof. »Ich möchte dir allerdings am liebsten ordentlich in den Hintern treten, weil du ein solches Risiko eingegangen bist. Aber …«
Sie holte tief Luft und schwieg einen Moment, während sie das Schloss betraten.
»Ich kann es nachvollziehen, dass du weg musstest. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn einen der Druck zu zerreißen droht. Ich kann mich dann mit einem Buch zurückziehen und wieder ruhig werden. Du brauchtest eben den schnellen Ritt. Und ich glaube, dass du manchmal einfach die Dunkelheit brauchst.«
Er schwieg, bis sie ihre Gemächer erreicht hatten. »Ich weiß nicht, wie du mich in dieser Hinsicht verstehen willst.«
»Ich habe dich studiert.« Sie blickte ihm in die Augen und lächelte etwas. »Das kann ich gut. Und außerdem bist du jetzt in meinem Herzen, deshalb kenne ich dich.«
»Ich habe dich nicht verdient«, sagte er ruhig. »Das wird mir jetzt klar. Ich habe dich nicht verdient.«
»Ich bin kein Lohn oder Preis. Du brauchst mich nicht zu verdienen.« Sie öffnete die Tür zu ihrem Salon.
Sie hatte Feuer im Kamin gemacht und die Kerzen angezündet. Der Tisch war mit Blumen aus einem der Treibhäuser gedeckt, und kaltes Abendessen und guter Wein standen bereit.
»Du hast dir Mühe gemacht.« Er schloss die Tür hinter sich. »Danke.«
»Ich habe es für mich getan, aber ich bin froh, dass es dir gefällt. Ich wollte eine Nacht nur für uns alleine. So als ob dies alles nicht passiert. Eine Nacht, in der wir einfach nur dasitzen, reden und essen können. Und in der ich vielleicht ein bisschen zu viel Wein trinke.«
Sie legte Bogen und Köcher beiseite und schnallte sich das Schwert ab. »Eine Nacht, in der wir nicht von Kämpfen, Waffen und Strategie reden und in der du mir sagst, dass du mich liebst. Aber du brauchst es mir eigentlich gar nicht zu sagen, weil ich es in deinen Augen sehe, wenn du mich anschaust.«
»Ich liebe dich. Während des Ritts habe ich zum Schloss geblickt und sah den Kerzenschein in den Fenstern. Und genauso sehe ich dich und denke an dich. Du bist für mich ein stetiges Leuchten.«
Sie trat auf ihn zu und umfasste sein Gesicht mit beiden Händen. »Und ich sehe dich als die Nacht, geheimnisvoll und faszinierend. Ich werde nie wieder Angst vor der Dunkelheit haben, weil ich sie erkannt habe.«
Er küsste sie auf die Stirn, die Schläfen und den Mund. »Ich schenke dir jetzt das erste Glas von zu viel Wein ein.«
Sie setzte sich an den kleinen Tisch und beobachtete ihn. Das war ihr Geliebter, dachte sie. Dieser fremde, faszinierende Mann, in dem Kriege tobten. Und sie würde diese Nacht mit ihm verbringen, sodass sie beide ein paar Stunden Frieden fanden.
Sie legte ihm auf, wohl wissend, dass es die Geste einer Ehefrau war. Aber auch das würden sie in dieser Nacht teilen. Als er ihr gegenübersaß, hob sie ihr Glas. »Sláinte.«
»Sláinte.«
»Erzählst du mir von den Orten, an denen du warst? Von deinen Reisen? Ich möchte im Kopf auch dorthin gehen. Ich habe in deiner Bibliothek in Irland die Landkarten studiert. Eure Welt ist so groß. Erzähl mir von den wundervollen Dingen, die du gesehen hast.«
Er nahm sie mit nach Italien während der Renaissance, nach Japan zu Zeiten der Samurai, nach Alaska während des Goldrauschs, in den Dschungel des Amazonas und in die afrikanischen Savannen.
Er versuchte es ihr so mit Worten zu schildern, dass sie die Vielfalt, die Kontraste, die Veränderungen sehen konnte, und er spürte förmlich, wie sie alles aufsog. Sie stellte zahlreiche Fragen, vor allem, wenn das, was er berichtete, dem
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