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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sein Atelier gekommen und hatte in den Ordnern mit den verschiedenen Motiven geblättert. Am Ende war er bei
Quetzalcóatl
hängen geblieben. Warum es dann ausgerechnet dieses Motiv sein sollte, wusste Sammy Ramírez nicht mehr. Vielleicht, weil er selbst mythologische Motive so sehr mochte und sich eventuell für den aztekischen Gott warmgeredet hatte.
    »Sagte er irgendetwas dazu, warum er sich in Mexiko aufhielt?«
    »Nach meiner Erinnerung nicht. Ich erinnere mich ja auch deshalb so gut an ihn, weil er so wortkarg war.«
    »Hatte er jemanden bei sich?«
    »Ja, einen Dicken, der nach Schweiß stank. Er kam ein paar Mal, um zuzuschauen. Meistens wirkte er verärgert.«
    »Wo liegt Guadalajara?«
    »Im Westen von Mexiko. Ungefähr auf der Höhe von Mexico City, aber weiter westlich, in Richtung Pazifik.«
    »Was macht man da?«
    Sammy Ramírez lachte.
    »Was machen Sie in Schweden?«
    »Aber, was ich meine, ist doch, weshalb war er dort?«
    »Ich glaube, der war auf der Durchreise. Er kam aus dem Norden, vielleicht aus den Staaten, und war unterwegs nach Süden. Ich weiß es nicht, wie gesagt redete er nicht viel.«
    »War er schmerzempfindlich? Das tut doch sicher weh?«
    |285| »Nein, das tut nicht besonders weh, und so, wie ich mich erinnere, klagte er nicht.«
    »Haben Sie ein Fax? Dann könnten Sie vielleicht mal einen Blick auf ein Foto werfen und mir sagen, ob das der Mann war, den Sie tätowiert haben.«
    Ramírez gab ihr die Faxnummer, und sie beendeten ihr Gespräch.
    Jetzt hatte Ann Lindell Herzklopfen. In diesen letzten Stunden war der Durchbruch gelungen. Erst das Video und jetzt das. Blieb die Frage, wie weit das reichte. Aber sie hatte das Gefühl, als würde zumindest das Geheimnis des mysteriösen Armas geknackt.
    Sie rief Fryklund an und lobte die Abhandlung über mexikanische Götter.
    »Das hat doch Spaß gemacht«, sagte er, offensichtlich verwundert über Lindells überschwängliches Lob. Sie wünschte im Stillen, mehr Kollegen könnten ihre Arbeit mit diesen Worten kommentieren.
    Anschließend faxte sie ein Foto von Armas nach Guadalajara. Drei Minuten später war die Antwort von Sammy Ramírez da: Das war der Mann, den er tätowiert hatte.
     
    Als Ann Lindell gerade zum ersten Mal an Essen dachte, kam von der Rezeption ein Anruf, sie habe Besuch. Lindell sah nach der Uhr. Er war pünktlich, vor genau einer Stunde hatte sie mit Slobodan Andersson telefoniert.
    Auf dem Weg nach unten begegnete sie dem Polizeipräsidenten und nickte ihm kaum merklich zu, beeilte sich aber, in den Aufzug einzusteigen, ehe er irgendeinen Kommentar anbringen konnte. Sie mochte ihn nicht, schon gar nicht, seit das Gerücht umging, Liselotte Rask aus der Pressestelle würde ganz andere Aufgaben im Haus erhalten.
    Sammy Nilsson hatte Witze gemacht und behauptet, Rask würde für den Meditationsraum im Keller verantwortlich werden. |286| Ein Raum, den kaum jemand aufsuchte und der Quelle ständiger Kommentare war. Jemand hatte vorgeschlagen, der Polizeipräsident könnte dort Gleichstellungskurse und Entspannungsübungen durchführen.
     
    Slobodan Andersson sah sich die Fische in dem kleinen Aquarium an, das im Foyer aufgestellt war. Lindell verlangsamte ihre Schritte und betrachtete ihn verstohlen. Hatte er abgenommen? Zumindest wirkte er schmaler, wenn man das überhaupt bei einem Mann von geschätzten hundertdreißig Kilogramm Lebendgewicht sagen konnte.
    Als sie auf ihn zutrat, war nichts von seiner früheren Verärgerung zu merken. Lindell führte ihn rasch und schweigend zu ihrem Büro.
    »Willkommen«, sagte Lindell und bot ihm den Besucherstuhl an.
    Der protestierte mit lautem Knarren, als Slobodan Andersson sich setzte. Schwer atmend sah er sich neugierig um.
    Sie ging direkt in die Offensive, sparte sich alle Höflichkeitsfloskeln und sozialen Weichspülerphrasen.
    »Bitte berichten Sie mir von Armas’ Sohn«, legte sie los.
    Slobodan Andersson sah sie erstaunt an.
    »Welcher Sohn?«
    »Nun kommen Sie schon, Herr Andersson. Sie kannten sich doch so lange.«
    Er leugnete jede Kenntnis eines Sohns. Unwillkürlich glaubte Ann Lindell ihm. Nicht allein wegen des dummen Gesichtsausdrucks, sondern vor allem wegen des Verletztseins, das sich darin spiegelte. Es war nicht zu übersehen, wie peinlich ihm war, dass Armas ihn über seine Geschichte im Dunkeln gelassen und nie etwas von einem Sohn erzählt hatte.
    Lindell war einen Moment unsicher. War der Mann auf dem Video vielleicht doch nicht Armas’ Sohn? Es

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