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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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    Sie konnte den Satz nicht beenden, denn ihr stand unmittelbar das Bild von Edvard vor Augen. Edvard, ihre alte |76| Liebe. Edvard, der für immer aus ihrem Leben verschwunden war.
    Görel ahnte, was in ihr vorging. Sie legte Ann einen Arm um die Schulter, war aber klug genug, keinen Kommentar abzugeben.
     
    Ann Lindell rief in Eriks Kindergarten an, um Gunilla zu sagen, dass sie Erik eine halbe, vielleicht sogar eine ganze Stunde später abholen würde. Die Kindergärtnerin sagte zwar, das sei in Ordnung, aber Ann meinte in der strengen Stimme Kritik herauszuhören. Eltern, die abgesprochene Zeiten nicht einhielten, galten als ein Problem, das bei jedem Elternabend aufs Neue auf der Tagesordnung stand.
    Lindell hatte nach dem Gespräch dasselbe Gefühl wie immer: dass sie sich nicht gut genug um ihren Sohn kümmerte. Er bekam ja alles, was er brauchte, und im Kindergarten fühlte er sich auch wohl. Dennoch quälte sie das Gefühl, unzulänglich zu sein. Die Kombination Polizistin und alleinerziehende Frau war nicht einfach, aber das galt wohl für alle allein lebenden, berufstätigen Mütter. Dafür gab es nun mal keine einfache Lösung. Sie konnte nur versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Ann Lindell arbeitete nie an den Wochenenden und nur äußerst selten abends.
    Ottosson, ihr nächster Vorgesetzter, war verständnisvoll. Er tat, was er konnte, um ihr die Arbeit zu erleichtern. Ohne diese Unterstützung wäre es sicher bedeutend schwieriger, vielleicht sogar unmöglich, in ihrer Position zu arbeiten.
    Ottosson hatte sie schon mehrfach auf einen Kommissariatskurs hingewiesen, aber sie hatte seinen Vorschlag immer abgelehnt. Die Fortbildung fand außerdem in Stockholm statt. Warum sollte sie denn überhaupt einen Kurs belegen? Sie fühlte sich in ihrer Position wohl und hatte nicht den Wunsch, die Karriereleiter nach oben zu klettern.
     
    |77| Nachdem sie ein paar Telefonate erledigt hatte, ging sie in die Kaffeeküche. Berglund saß vorgebeugt dort, den Ellenbogen stützte er aufs Knie und die Stirn ruhte in der Hand, als wollte er Kopfschmerzen lindern. Er hörte Ola Haver zu, der ihm von seinen Plänen für den Winterurlaub erzählte. Lindell bekam gerade noch mit, dass er mit Frau und Töchtern nach Norditalien fahren wollte.
    »Die Alpen sind prima«, sagte Berglund, offenbar wollte er zum Gespräch auch etwas beitragen.
    Lindell sah ihm an, dass er mit seinen Gedanken weit weg war. Als sie sich zu ihnen setzte, nutzte er die Gelegenheit, das Thema zu wechseln.
    »Du, Ann, erinnerst du dich an Konrad Rosenberg?«
    Ann nippte an ihrem Kaffee, dachte kurz nach und nickte dann.
    »War das nicht der mit den Betrügereien   … irgendwas mit Kreditkarten und Drogen?«
    »Genau der«, sagte Berglund. »Sein Name tauchte in den Ermittlungen zu dem Raubüberfall auf, an dem ich gerade sitze. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass er was damit zu tun hat. Bekam er damals nicht einige Jahre und wurde dort entgiftet?«
    Ann Lindell nickte. Sie war plötzlich so zufrieden, weil sie sich noch an Sachen erinnerte, die mehrere Jahre zurücklagen. Sie freute sich, dass Berglund sie gefragt hatte. Sie fühlte sich bestätigt.
    Berglund war vielleicht der Kollege, der ihr am nächsten stand. Er war so ein treuer Freund, und seine Ruhe vermittelte ihr ein Gefühl von Sicherheit. Außerdem war er sehr klug, er war nachdenklich, selten aburteilend, und die Jagd nach eigenen Vorteilen und Prestigedenken waren ihm fremd. Er war in Uppsala geboren. In seiner Jugend hatte er Fußball und Bandy gespielt. Später hatte er sich auf Waldlauf und Orientierungslauf verlegt, er saß im Vorstand des Sportvereins. |78| Durch den Sport, sein Engagement bei der Wohnungsgenossenschaft HSB und seine Mitgliedschaft in der Schwedischen Missionskirche – das hatte sie erst vor Kurzem herausgefunden und es hatte sie einerseits überrascht und gleichzeitig auch nicht – hatte er viele Kontakte zu allen Gruppen der Gesellschaft. Er funktionierte wie ein menschlicher Seismograf, der alle untergründigen Beben im Körper seiner Stadt spürte.
    Es gab nur einen Bereich, in dem er sich nicht gut stand. Das Uppsala der Jugendlichen, der Studenten und der Einwanderer war ihm fremd. Da fühlte er sich wie verloren, und er gab das auch bereitwillig zu.
    »Er war doch mehrere Jahre clean«, fuhr Berglund fort, »aber jetzt scheint er wieder drauf zu sein. ›Sture mit dem Hut‹ ist einer von denen, die ich wegen des

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