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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Raubüberfalls vernommen habe. Der erwähnte Rosenberg so ganz nebenbei. Der sei ja jetzt auf einen grünen Zweig gekommen.«
    »Sture kenne ich auch, das ist ein richtiger Schwätzer«, unterbrach ihn Haver, »der will sich nur interessant machen.«
    »Wie so viele andere«, meinte Lindell.
    »Schon möglich«, sagte Berglund.
    »Vielleicht wollte er damit vom Raubüberfall ablenken. Oder er weiß gar nichts, will aber gefällig sein und was beisteuern«, fuhr Haver fort.
    Berglund machte eine Geste, die bedeuten sollte, das könne schon so sein, aber Lindell sah, dass er anders darüber dachte.
    »Kürzlich hat er einen nagelneuen Benz gekauft«, sagte Berglund. »Ich hab mit einem Kumpel bei Philipson gesprochen und dem zufolge hat sich Rosenberg einen ausgesucht.«
    »Und in bar bezahlt?«
    »Ohne mit der Wimper zu zucken«, sagte Berglund.
    »Mit den Drogenfahndern hast du schon gesprochen?«, fragte Lindell.
    |79| »Nein. Ich weiß, es gibt nicht viel, um darauf zurückzugreifen«, gab Berglund zu.
    Haver grinste.
    Fahr du doch mit deiner Rebecca nach Italien, dachte Ann Lindell böse, aber irgendwie auch vage eifersüchtig.
    »Falls du mal was über Rosenberg hörst«, beendete Berglund das Thema. Dann fragte er sie nach dem Mord am Fluss.
    »Wir ziehen die übliche Tour durch«, sagte Lindell, »bisher haben wir nichts. Wir führen ihn jedenfalls nicht.«
    »Vielleicht ein Russe?«, warf Haver ein.
    »Möglich. Was mir am meisten Kopfzerbrechen macht, ist die weggeschnittene Tätowierung. Ich glaube, das war ein symbolischer Akt.«
    »Dabei wirkt es ja total bescheuert«, sagte Berglund. Lindell merkte, dass der Kollege zum selben Ergebnis wie sie gekommen war. Die Aufmerksamkeit auf die Tätowierung zu lenken hatte etwas Amateurhaftes.
    »Vielleicht eine falsche Fährte«, sagte Lindell, »ich weiß es nicht.«
     
    Sie nahm die Kaffeetasse und kehrte in ihr Büro zurück. Die Tätowierung auf dem Arm des Ermordeten und die Tatsache, dass er so gut wie nackt gewesen war, beschäftigten sie noch immer. Ob es einen Zusammenhang gab? Hatte der Mörder ihn entkleidet, um Tätowierungen zu überprüfen? Ann Lindell hatte schon viel gesehen, aber das verwirrte sie. Irgendwie erschreckte sie das Rituelle an diesem Hautwegschneiden auch.
    Sie schrieb ihre Überlegungen zu den anderen auf dem Block. Das mochte verlorene Liebesmüh sein, zumal ihre Gedanken keinesfalls originell waren. Die Aufzeichnungen ließen sich mehr als therapeutische Funktion für eine verstörte Polizistin verbuchen.

|80| 11
    A ls Ann Lindell die Wohnungstür aufschloss, bekam sie einen gelinden Schock. Sie hatte den müden und weinerlichen Erik nach Hause schleppen müssen. Im Flur warf er sich sofort auf den Fußboden und weigerte sich, Schuhe und Jacke auszuziehen. Sie ließ ihn dort sitzen, ging in die Küche und holte ihm ein paar Kekse. Sollte er doch bockig sein.
    Der Brief lag auf dem Teppich gleich hinter der Tür, ein weißes Rechteck auf grünem Grund. Wie ein Bild, dachte sie. Sie zögerte, ihn aufzuheben. Die Handschrift hatte sie sofort erkannt. Wie hätte sie die auch vergessen können? Diese kindlichen Krakel, seine Handschrift glich der eines Zwölfjährigen. Wie viele Briefe hatte sie schon von ihm bekommen? Vielleicht einen, und dazu ein paar Ansichtskarten.
    Wie gelähmt und zugleich wütend starrte sie auf den Brief. Warum schrieb er? Jetzt? Worüber? Sie versuchte zu begreifen, wieso Edvard sich die Mühe gemacht hatte, ihr zu schreiben. Ursachen zu finden. Er war kein Briefschreiber, und so wankelmütig, wie er war, hätte er doch unzählige Mal die Möglichkeit gehabt, sich anders zu besinnen. Schon ehe er den Brief in den Umschlag steckte und frankierte. Ann sah Edvard vor sich, unschlüssig, ob er ihn zukleben sollte. Dann musste er entweder zum Briefkasten auf der Insel oder bis nach Öregrund fahren. Er hätte den Brief auf dem Tisch liegen lassen können. Sich sagen können, so eilig sei es ja doch nicht. Oder ihn bewusst oder unbewusst im Auto vergessen. Dann, vor dem Briefkasten, welche Qual musste er ausgestanden haben. Und der Schrecken am Ende, als der Brief abgeschickt war und er zurück zum Haus auf der Insel fahren musste.
    Sie bückte sich und hob ihn auf. Erik hatte die Kekse aufgegessen und verlangte lautstark nach mehr. Mit dem Brief in der Hand zog sie ihm Schuhe und Jacke aus, stellte ihn auf die |81| Füße. Dann zog sie den widerstrebenden Jungen mit sich in die Küche, goss Saft in ein Glas und

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